Wie arbeiten wir besser zusammen? – Steelcase vergleicht deutsche und chinesische Arbeitskulturen
Auf den ersten Blick verbindet Deutschland und China nur wenig: Demokratie ist das Gegenteil von Autokratie, Made in Germany passt nicht zu chinesischen Billiglohn-Produktionen und kulturelle Vielfalt schließt Zensur aus. Die Auseinandersetzung mit dem Land China findet in der Bundesrepublik jedoch trotzdem beinahe täglich statt. Die Medien berichten ausführlich über Staatsbesuche der Bundeskanzlerin Angela Merkel in China, die europäische Kritik an der Zensur des chinesischen Künstlers Ai Weiwei oder die vielgelobte, wirtschaftlich enge Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Auch auf kultureller Ebene bemüht man sich um Annäherung: Mit einem „Chinajahr“ 1 will Deutschland seiner Bevölkerung die chinesische Kultur näher bringen. Trotz der großen Unterschiede ist das Bemühen der beiden Staaten umeinander groß. Die Beziehung zwischen Deutschland und China scheint ein diplomatischer Sonderfall zu sein, den Bundesaußenminister Guido Westerwelle in einem Interview 2 folgendermaßen beschrieb: „[…] China und Deutschland haben ganz unterschiedliche kulturelle, historische und philosophische Wurzeln. Unsere Wertvorstellungen können deshalb auch nicht deckungsgleich sein. Umso bemerkenswerter, dass es uns gelingt, trotz dieser Unterschiede offen zu sprechen und so eng zusammenzuarbeiten.“
Dass Verständnis und Respekt die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Chinesen sind, erkennen auch international aufgestellte Unternehmen zunehmend. Die sogenannte „interkulturelle Kompetenz“ – also der rücksichtsvolle Umgang mit den lokalen Gegebenheiten verschiedener Standorte und die kulturspezifischen Hintergründe der Mitarbeiter – ist der Schlüssel für eine gute Geschäftsbeziehung. So lautet auch ein wichtiges Ergebnis einer aktuellen Forschungsarbeit von Steelcase. Für die Studie „Culture Code“ untersuchte die unternehmenseigene Forschungsgruppe Steelcase WorkSpace Futures 3 mehr als 100 Arbeitsplätze in elf Ländern, darunter China und Deutschland, und beobachtete dabei den Einfluss der jeweiligen Kulturen auf die Arbeitsumgebung. Die Erkenntnisse sollen multinationale Unternehmen dabei unterstützen, die Arbeitsumgebung ihrer jeweiligen Mitarbeiter zu verbessern, dadurch ihre Zusammenarbeit zu optimieren und den Wissensaustausch untereinander zu fördern. In einer ihren kulturspezifischen Arbeitsweisen angepassten Umgebung fühlen sich Angestellte nachweisbar wohler, sind motivierter und produktiver. Gute Arbeitsbedingungen sind darüber hinaus ein wichtiges Argument bei der Werbung von neuen Talenten.
Chinesische Führung und deutscher Teamgeist – Wie passt das zusammen?
Wie arbeiten deutsche und chinesische Mitarbeiter erfolgreich zusammen? Wie unterscheiden sich ihre bevorzugten Arbeitsbereiche und was können beide Kulturen voneinander lernen? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede die Steelcase-Forscher beim Vergleich der deutschen und chinesischen Arbeitskultur festgestellt haben, zeigt die folgende Zusammenfassung nach den Kriterien Arbeitseinstellung, Führungskultur, Geschlechterverteilung, Teamarbeit und Arbeitsbedingungen 4.
Arbeitseinstellung
Viele Deutsche sind stolz auf ihren Arbeitgeber. Ihre Arbeitstage sind durchstrukturiert und die Arbeitszeiten in der Regel auf 40 Stunden pro Woche beschränkt. Chinesen dagegen sind vor allem stolz auf ihren persönlichen Erfolg und bereit dafür bis zu 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Viele nehmen eine Trennung von der Familie in Kauf und widmen dann ihre gesamte Zeit dem Job. Außerdem wechseln sie schnell den Arbeitgeber, wenn ein besseres Angebot lockt. „Chinesische Angestellte sind wie ihre deutschen Kollegen sehr produktiv und arbeiten ebenso fleißig und zuverlässig“, sagt Ulrich Gwinner, Präsident von Steelcase Asia Pacific, der seit fünf Jahren in Hongkong lebt. Während ein deutscher Mitarbeiter aber nicht um jeden Preis eine Karrierestufe nach der anderen erklimmen muss, seien chinesische Angestellte immer darauf bedacht mit jedem Jobwechsel ihren sozialen Status zu erhöhen. „Chinesen haben gelernt, für schlechte Zeiten zu sorgen“, erklärt Gwinner ihre materialistische Orientierung. Auf das soziale System ihres Staates könnten sich die Chinesen – anders als in Deutschland – nicht verlassen.
Führungskultur
Die Hierarchien in deutschen Firmen sind in der Regel flach. Führungskräfte sind aufgeschlossen und fragen ihre Mitarbeiter nach ihrer Meinung. Der Umgang miteinander ist stets dialogorientiert, halten die Steelcase-Forscher fest. In China dagegen steht Hierarchie für Harmonie und Ordnung. Chinesische Angestellte erwarten von ihren Führungskräften eindeutige Arbeitsanweisungen, äußern eigene Ideen nur zurückhaltend und begegnen ihren Vorgesetzten mit großem Respekt. Auch in die andere Richtung sind die Verhaltensweisen vordefiniert: „Nie würde in China ein Manager einen Vorstands-Assistenten ansprechen, nach dem Motto ‚Und wie geht es Ihnen denn heute, junger Kollege‘, erklärt Ulrich Gwinner. Allerdings beginnt sich diese starre Haltung zur Macht langsam zu ändern, heißt es im „Culture Code“.
Geschlechterverteilung
Bei der Gleichstellung der Geschlechter liegt Deutschland im Steelcase-Ländervergleich weit vorn. Der Arbeitnehmer-Anteil von Frauen mit höherer Schulbildung ist nahezu ebenso hoch wie der der Männer. In China steigt die Zahl der angestellten Frauen, befindet sich aber derzeit noch im Mittelfeld. Allerdings finden sich immer öfter junge, ehrgeizige Chinesinnen in Führungspositionen. „Diese Frauen werden von ihren Mitarbeitern geradezu verehrt wie eine Königin“, berichtet Ulrich Gwinner, von dessen 1500 Angestellten knapp 600 chinesische Mitarbeiter sind. In China würden erfolgreiche Frauen für ihre Eigenschaften bewundert, sagt er, während sich weibliche Führungskräfte in Deutschland oft mit der „Gewissensdebatte Kinder oder Karriere“ auseinandersetzen müssten.
Teamarbeit
Teamarbeit gehört in Deutschland zum Arbeitsalltag. Der Austausch von Wissen und Informationen ist sehr ausgeprägt und findet auch beim Essen oder zufälligen Treffen statt. Wenig Zeit wird dagegen aufgewendet, um enge Beziehungen zwischen Mitarbeitern oder zu Geschäftspartnern aufzubauen, stellten die Steelcase-Forscher fest. In China dagegen sind ohne Vertrauen, das zum Teil über Jahre aufgebaut werden muss, keine Geschäftsbeziehungen möglich. Für die Pflege persönlicher Beziehungen gibt es ein eigenes chinesisches Wort „Guanxi“. China ist darüber hinaus eine sogenannte „High Context“-Kultur: Die Sprache ist voller Mehrdeutigkeiten. Mimik und Gestik sowie das „Zwischenden-Zeilen-lesen“ spielen eine große Rolle in der Kommunikation mit Chinesen. Die deutsche Kultur dagegen weist geringe Kontextbezüge auf. Das bedeutet, Informationen werden deutlich und umfassend vermittelt. Über was gesprochen wird, ist letztendlich wichtiger, als wie über etwas gesprochen wird, heißt es dazu im „Culture Code“. Auch bei Meinungsverschiedenheiten gilt es für Deutsche zu beachten, dass chinesische Kollegen niemals „Nein“ sagen und aus Höflichkeit auch nicht dazu gedrängt werden sollten. Uneinigkeit drücken Chinesen vielmehr positiv aus. „So bedeutet das chinesische Schriftzeichen für Risiko ‚opportunity‘ [engl.: Chance]“, sagt Ulrich Gwinner. Teamarbeit findet in China nur in kleinen Gruppen statt, die einander vertrauen. Gespräche zwischen Mitarbeitern im Büro seien tagsüber selten. „Das ändert sich allerdings nach dem offiziellen Feierabend.“ Dann sei auch eine freundschaftliche Kommunikation zwischen Kollegen üblich.
Arbeitsbedingungen
Deutsche Arbeitsplätze verfügen über einen hohen Standard. Mitarbeiter legen Wert auf räumlichen Freiraum zur Wahrung ihrer Privatsphäre sowie akustische und visuelle Abschirmung. Sie bevorzugen klar zugeordnete Räume, eine hohe Funktionalität der Büromöbel und sehr viel Tageslicht mit Blick nach draußen, beschreiben die Steelcase-Forscher. Führungskräfte arbeiten oft in den gleichen Büros wie ihre Mitarbeiter. Abgeschirmte Einzelarbeitsplätze ermöglichen konzentriertes Arbeiten. „Große Erwartungen an den Arbeitsplatz haben chinesische Angestellte dagegen nicht“, sagt Ulrich Gwinner. Vielmehr seien sie enge Raumsituationen gewöhnt. Allerdings verfügten repräsentative Bereiche wie ein Managerbüro über sehr große Flächen. „Dort werden auch Pokale, Trophäen und Auszeichnungen aufgereiht. Wo das Unternehmen Gesicht zeigt, wird nicht gespart.“ Flexible Arbeitsbedingungen und mobiles Arbeiten sind in China aufgrund unzureichender Internet-Infrastruktur und kleiner Wohnräume noch die Ausnahme, heißt es im Culture Code. In Deutschland hingegen finden flexible Arbeitszeiten und auch das Arbeiten außerhalb des Büros, zum Beispiel von Zuhause oder von unterwegs, immer mehr Verbreitung.
Vertrauen und voneinander lernen
Wie lässt sich nun den vielen Unterschieden im Umgang miteinander begegnen? Ulrich Gwinner plädiert dafür, die kulturellen Unterschiede zunächst zu akzeptieren und im zweiten Schritt voneinander zu lernen. Vertrauen und Respekt lasse sich in China am besten aufbauen, wenn Deutsche den chinesischen Kollegen begegnen, wie diese es umgekehrt vormachen: Chinesen haben Geduld, halten Distanz und üben sich in Zurückhaltung. „Chinesische Mitarbeiter sind oft überfordert von der deutschen Haltung sich sofort mit jedem anzufreunden“, sagt Gwinner. Gerade weil Deutschland eine angesehene Nation in China sei und Europäer die Chinesen auch noch körperlich überragen, fühlten diese sich schnell von der deutschen Mentalität und ihrem Tatendrang überrannt. Zum Vorbild könnten sich Deutsche nehmen, wie stolz chinesische Mitarbeiter auf ihren Erfolg sind, und wie gut sie gleichzeitig mit schwierigen Situationen umgehen könnten. Ihr Umgang mit Problemen sei lockerer. „Wenn zum Beispiel ein chinesischer Kollege lacht, während sich sein deutscher Kollege ärgert, macht er sich nicht über ihn lustig, sondern will ihn aufheitern.“
Um diese kulturspezifischen Hintergründe kennenzulernen, müssen Unternehmen und deutsche Mitarbeiter viel Zeit auch vor Ort einplanen. Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Einmal sehen ist besser, als hundertmal hören“. In diesem Sinne sei es kaum möglich eine Kultur wirklich zu erfassen, ohne sie zu erleben, bestätigt auch Ulrich Gwinner. Die direkte Begegnung und Kommunikation zwischen den Menschen könnten auch modernste Kommunikationsmittel nicht ersetzen.
Hintergrund: Der Culture Code
Der Culture Code ist eine aktuelle Studie von Steelcase, in der ein internationales Forscherteam die sogenannten „Kultur-Codes“ von elf Ländern untersuchte, um aus diesen Erkenntnissen neue Ideen und Konzepte für effektivere Arbeitsbereiche zu entwickeln. Das Team kooperierte dabei mit internationalen Wirtschaftsführern, Sozialwissenschaftlern und Designern. Für die von 2006 bis 2011 laufende Studie wählte Steelcase fundierte sozialwissenschaftliche Methoden. Eine der wichtigsten Grundlagen sind die Studien des Sozialwissenschaftlers Geert Hofstede und die Arbeit des Anthropologen Edward T. Hall, Jr. Durch das Zusammenführen beider Theorien gewann Steelcase neue Erkenntnisse über den Einfluss der Kulturen auf den Arbeitsplatz. Die Forscher von Steelcase analysierten auf dieser Grundlage Arbeitsplätze in öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen des Mittelstands sowie global aufgestellten Konzernen. Die Untersuchungsmethoden umfassten Feldstudien, Interviews und Workshops. Auf Basis des Culture Codes hat Steelcase Leitlinien entwickelt, die es Unternehmen erleichtern, die Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter zu optimieren.
- Das von China und Deutschland initiierte „Kulturjahr 2012“ umfasst bundesweit mehr als 500 kulturelle Veranstaltungen aus den Bereichen Literatur, Musik, Tanz und Theater.
- http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2012/10/2012-10-18-westerwelle-zeit.html
- Das Steelcase WorkSpace Futures Team ist das internationale Forschungsinstitut des Steelcase-Konzerns. Es folgt einem nutzerorientierten Ansatz, indem es auf der Grundlage wissenschaftli-cher Methoden weltweite Arbeitsweisen und Trends am Arbeitsplatz untersucht. Diese Erkennt-nisse bilden das Fundament für die Entwicklung innovativer Bürolösungen.
- Die detaillierten Ergebnisse und einen ausführlichen Ländervergleich finden Sie im Steelcase-Magazin „360° Der Culture Code. Landes- und Arbeitskulturen und ihr Einfluss auf das Arbeiten in einer vernetzten Welt.
Weitere Informationen unter:
www.steelcase.de
www.100.steelcase.com
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