Sechs Lern- und Arbeitstrends der Generation iGen
Die erste Generation, der ein Leben ohne technische Hilfsmittel unbekannt ist, und ihr Einfluss auf die Lern- und Arbeitsumgebung.
Können Sie sich vorstellen, ab dem Tag Ihrer Geburt immer Zugang zu moderner Technologie zu haben? Die Generation iGen kennt es nicht anders.
iGen umfasst die Jahrgänge 1995 – 2012 und stellt die erste Generation, die nie eine Welt ohne universellen Zugang zum Internet und zu persönlichen Endgeräten erlebt hat. Als die ersten Mitglieder dieser Generation fünf Jahre alt waren, machte sich gerade die ganze Welt große Sorgen, dass zur Jahrtausendwende das globale Computernetzwerk zusammenbrechen würde. Technologie ist somit tief eingebettet in die frühesten Erinnerungen dieser Generation. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass iGen eine andere Sichtweise auf Arbeit und Schule hat als alle vorhergehenden Generationen.
Um mehr über diese einzigartige Bevölkerungsgruppe und Designtrends im Bildungs- und Arbeitsbereich herauszufinden, besuchte Steelcase die Clerkenwell Design Week in London, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Dort referierte Nathan Hurley, Digital Manager bei Orangebox, über „Smartlearning: Wie die Generation iGen den Arbeitsplatz beeinflussen wird.“ Er erläuterte, was diese Generation von den vorhergehenden Generationen unterscheidet und sprach über sechs Trends, die heute und in den kommenden Jahren den Bildungsbereich und das Arbeitsplatzdesign maßgeblich beeinflussen werden.
1. Smartlearning: Lifestyle auch im Bildungsbereich
Mitglieder der iGen sehen sich permanent in der Kundenrolle, selbst wenn es um die Ausbildung geht. Hurley beschreibt, dass sie eine Universität nicht danach aussuchen, welches akademische Renommee sie hat; diese Studentengeneration sucht nach Hochschulen, die ihr den bevorzugten Lifestyle bieten.
Um für diese Jahrgänge attraktiv zu sein, geben Hochschulen inzwischen stolze Summen dafür aus, einen bestimmten Lifestyle anzubieten und einen Markenauftritt zu erschaffen, wie man ihn von bekannten Unternehmen kennt. Wissenschaftler der London Metropolitan University führten eine Umfrage (auf Englisch) unter 190 jungen Erwachsenen durch, die sich gerade damit beschäftigten, welche Universität sie besuchen wollten. Mit der Umfrage wurden unterschiedliche Marketingstrategien an drei Universitäten beleuchtet. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass es für die zukünftigen Studenten bei ihrer Entscheidung deutlich wichtiger war, ob eine Uni ein besonders interessantes soziales Umfeld und ein großes Unterstützungsangebot für die Studenten bewarb, als beispielsweise die Darstellung der Ziele und Werte einer Einrichtung, was bisher eine wichtige Marketingmaßnahme war.
2. Der soziale Campus
Die Bibliothek ist die Studentenvereinigung von heute. Was vor kurzem noch ein ruhiger Rückzugsort für konzentriertes Arbeiten war, ist heute ein dichtes Netz an Räumen, in denen Studenten in verschiedensten Umgebungen allein, aber auch gemeinsam arbeiten können. Bibliotheken von heute sind innovativ designt und an die Bedürfnisse der Studenten angepasst. Die Studenten können sich aussuchen, wann, wo und wie sie arbeiten möchten, um besonders produktiv zu sein.
Da sie das Lernen und Arbeiten in optimal eingerichteten Bibliotheken gewohnt sind, kommt es häufig vor, dass iGen-Hochschulabsolventen von der dürftigen und nicht leistungsfähigen Technologie am Arbeitsplatz enttäuscht sind. Das Gefälle in Bezug auf Raum, Funktionalität und Design birgt ein großes Potential für Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Hurley mahnt Unternehmen deshalb, die technologische Ausstattung zu priorisieren und ein großes Angebot an unterschiedlichen Räumen anzubieten, um Toptalente anzulocken und zu halten.
3.Umgedrehter Unterricht (Flipped Learning)
Die 4 Ks sind inzwischen hinreichend bekannt – Kommunikation, Kooperation, kritisches Denken und Kreativität. Heutige Unternehmen wünschen sich Studenten, die diese Fähigkeiten beherrschen. Deshalb ist es entscheidend, dass diese Soft Skills im höheren Bildungsbereich entwickelt und verfeinert werden. Eine pädagogische Richtung, die diese Fähigkeiten fördert, ist das umgedrehte Lernen, bei dem die Lernenden den vorab aufgezeichneten Videounterricht ihrer Lehrer zuhause ansehen und dann ihre Hausaufgaben zusammen mit ihren Mitschülern im Klassenzimmer anfertigen. Ein umgedrehtes Klassenzimmer erfordert Raumdesign, das Mobilität, Gruppenarbeit und die Interaktion mit Informationen begünstigt.
4. YouTube Universität
Es gibt kaum etwas, das iGen auf YouTube nicht lernen könnte. YouTube berichtet, dass im Jahr 2017 jeden Tag 1 Milliarde Stunden an Videos auf ihrer Plattform angesehen wurden. Diese Generation ist mit Online-Lernmethoden vertraut und zieht sie klassischen Unterrichtsmethoden vor. Durch das große Vertrauen in das Online-Lernen werden allgemein zugängliche Online-Kurse, an denen jeder überall auf der Welt auf Abruf lernen kann, was er will, immer beliebter, sagt Hurley.
Dieser Trend wirkt sich auch auf die Raumgestaltung aus, denn hier sind fließende Übergänge gefragt, um die digitale Welt, in der sich die Studenten routiniert bewegen, widerzuspiegeln. Bildungsinstitute und Arbeitgeber sollten darüber nachdenken, zu informelleren und flexibleren Lehrmethoden überzugehen, damit Studenten und Angestellte immer auf dem neuesten Stand sind und sich engagiert weiterhin einbringen.
5. Tinder auf dem Stellenmarkt
Für die Generation iGen geht es nicht darum, die Stelle fürs Leben zu finden. Ihre Vertreter gehen noch nicht mal davon aus, ein Jahrzehnt lang die gleiche Stelle zu haben und sind immer bereit, neue berufliche Möglichkeiten ins Auge zu fassen. Apps wie Switch und Labour Xchange bieten sofortigen Zugang zu Tausenden von Stellenangeboten. Die Mitglieder der Generation iGen können durch Wischen nach links oder rechts ihr Interesse oder Desinteresse an einer neuen Stelle zeigen – genau wie bei der Suche nach dem nächsten Date.
Aber wozu braucht man dann noch Personaler? Und was können Unternehmen den Mitgliedern der iGen bieten, damit sie im Unternehmen bleiben, wenn der neue Job nur einen Mausklick entfernt ist? Darauf gibt es bisher noch keine zufriedenstellenden Antworten. Hurley weist jedoch darauf hin, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt wäre, das Bildungssystem und die Umgebung, in der Lernen und Arbeiten stattfindet, zu hinterfragen und neue Konzepte zu entwickeln.
6. Arbeitsplatz, der alle Bedürfnisse erfüllt
Google bietet seinen Angestellten am Arbeitsplatz alles Erdenkliche, das sie benötigen könnten – von kostenlosem Essen über Fitnessstudios bis hin zu Massageangeboten – das Angebot des Unternehmens ist so großzügig, dass die Angestellten auf keinen Fall woanders arbeiten möchten. Hochschulen nehmen sich zunehmend ein Beispiel an innovativen Unternehmen wie Google, sagt Hurley. Seit Neuestem interessieren sich die Hochschulen auch für experimentelles Design, das auf Nutzerbedürfnisse ausgerichtet ist und öffnen beispielsweise ihre Einrichtungen rund um die Uhr. Sie bieten den Studenten somit optimale Bedingungen und diese danken es ihnen damit, dass sie ihre Universität auf keinen Fall wechseln möchten.
TECHNOLOGIE SCHLIESST DIE LÜCKE
Obwohl es einige zukunftsorientierte Universitäten gibt, ist die große Mehrheit noch nicht in der Lage, die Mitglieder der iGen angemessen auf die Zukunft vorzubereiten. Laut Forschungen der Gallup Organisation ist der Großteil der Colleges und Hochschulen (96%) davon überzeugt, seine Studenten angemessen auf das Arbeitsleben vorzubereiten, aber nur 11% aller Unternehmen bestätigen diese Aussage. Die Diskrepanz ist somit erheblich. Google, YouTube und andere Kanäle als neue Lernplattformen treffen auf eine Generation, die sich im Laufe ihres Arbeitslebens ständig weiter fortbilden wird, um ihre Karriere erfolgreich zu steuern. Dem Bildungsbereich steht somit ein gewaltiger Umbruch bevor.
Um diesen Wandel anzukurbeln, schlägt Hurley vor, dass Unternehmen und Universitäten voneinander lernen sollten. Unternehmen könnten sich von modernen Bibliotheken Inspiration dafür holen, wie eine flexible und weniger hierarchische Arbeitsumgebung aussehen kann. Und Universitäten könnten von innovativen Organisationen lernen, welche Vorteile und welchen Mehrwert sie Studenten bieten sollten, damit diese ihrer Hochschule treu bleiben.
Sowohl der Bildungsbereich als auch die Arbeitswelt müssen sich weiterentwickeln, um Talente der Generation iGen für sich zu gewinnen und zu halten. Unternehmen und Bildungseinrichtungen müssen eine Umgebung schaffen, in der Technologie das Arbeitserlebnis nicht ergänzt, sondern das Arbeitserlebnis darstellt – schließlich ist das für iGen ganz selbstverständlich.