Altbewährte Traditionen treffen auf zukunftsweisende Ziele
Masterplan der University of Glasgow für innovatives Lernen, Arbeiten und Zusammenleben
Der Campus der schottischen University of Glasgow strotzt nur so vor Geschichte und Tradition. Dafür sorgen ein hoch aufragender Turm, gewölbte Kreuzgänge, Einhorn- und Löwenstatuen, ummauerte Gärten sowie Grasflächen in den Innenhöfen, denen man nachsagt, es brächte Unglück, sie vor Studienabschluss zu überqueren. Besucher berichten oft von einem „Hogwarts-Erlebnis“, weil sie sich dort an die Harry-Potter-Bücher von J. K. Rowling und die berühmte Schule für Hexerei und Zauberei erinnert fühlen.
Die im Jahr 1451 gegründete Universität, die sich seit 1870 am heutigen Standort befindet, wird von mehr als 29.000 Studierenden aus über 140 Ländern besucht, die alle Teil dieser namhaften Lern- und Forschungseinrichtung sein wollen. Der Charme der alten Welt übt zweifellos eine starke Anziehungskraft aus. Den Hochschulleitern ist vor dem Hintergrund des immer härteren Wettbewerbs um die besten und klügsten Köpfe aber sehr wohl bewusst, dass dies nicht ausreicht, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Mehr denn je erfordern Spitzenleistungen in der Hochschulbildung stattdessen kontinuierliche Veränderungen und Weiterentwicklungen.
„Die University of Glasgow zählt zu den weltweit ältesten und renommiertesten Bildungsstätten. Natürlich fühlen sich die Menschen hiervon angezogen“, sagt Dr. Neal Juster, der seit 2007 an der Universität tätig ist und heute der Hochschulleitung angehört. „Doch die Frage, die wir uns heute stellen müssen, lautet: Wie können wir die positiven Seiten der Traditionen in Einklang bringen mit der sich wandelnden Welt? Heute verlangen Studierende und Lehrkräfte nach zeitgemäßen und zweckmäßigen Räumen, die optimale Bedingungen zum Forschen und Studieren und für den zwischenmenschlichen Austausch bieten.“
Weiterentwicklung auf Grundlage eines Masterplans
Angesichts des Platzmangels und der tiefgreifenden Veränderungen, die sich durch neue Technologien und steigende Erwartungen an teamorientierte, aktive Lernformen abzeichneten, ergriff die Universitätsleitung die Gelegenheit für den Erwerb eines rund 5,5 Hektar großen Grundstücks direkt am Hauptcampus. Nach dem Kauf im Jahr 2015 wurde ein multidisziplinäres Team gebildet – mit dem Ziel, einen umfassenden Masterplan für dieses Gelände zu entwickeln. Ergebnis seiner Arbeit ist ein Entwurf für eine Campus-Erweiterung, deren Kosten mit 775 Mio. £ beziffert werden. Zu dieser Planung gehören eine Reihe von neuen Gebäuden sowie einladend gestaltete Außenbereiche mit vielfältigen Wegeverbindungen. Zusammen sollen sie die Art und Weise, wie Studierende und Lehrkräfte lernen, arbeiten und zusammenleben, verändern und auf inspirierende Weise erneuern.
„Wir wollten einen durchlässigen, offenen und gemeinschaftsorientierten Campus schaffen, der sowohl unseren Studenten als auch der lokalen Community zugutekommt.“
Neal JusterPh.D., Deputy Vice Chancellor and Senior Vice Principal
Wesentlicher Teil des Entwurfsansatzes bildete das „Inside Out“, d. h. Ausgangspunkt des Entwurfs war ein klares Verständnis der Aktivitäten, die der Campus und seine Gebäude ermöglichen und unterstützen sollen. „Wir wollten sicherstellen, dass die Häuser mehr bieten als nur Wände, Fenster und Dächer. Wir wollten vielmehr, dass der Entwurf genau die Aktivitäten berücksichtigt, die dort stattfinden werden“, erklärt Nicola Cameron, M.A., Leiterin der Abteilung Property and Investment und wichtiges Mitglied des Masterplan-Teams.
Eine der Prioritäten dabei war, dass die neuen Gebäude gleichermaßen zukunftsweisend und flexibel sein sollten, um mit dem Wandel Schritt halten zu können. Gleichzeitig mussten sie sensibel mit der historischen Bausubstanz und ihrem Umfeld umgehen. Letzteres ist auf der einen Seite durch ein Wohngebiet und ein Kulturquartier geprägt, auf der anderen Seite durch den bestehenden Hauptcampus der Universität.
Ein weiterer wichtiger Unterschied zu früher: Die neuen Gebäude sollten von allen Disziplinen der Universität gemeinsam genutzt werden und nicht ausschließlich einer Fakultät zugeordnet sein. „Wir wollten ein Modell verwirklichen, bei dem kein Gebäude nur einem bestimmten akademischen Bereich angehört. So zwingen wir die Menschen dazu, gemeinsam zu interagieren“, erklärt Juster.
Eine auf Erkenntnissen basierende Partnerschaft
Mit einer klaren Zielvorstellung vor Augen wollte das Planungsteam ganz bewusst von der Expertise und der Erfahrung anderer lernen, während es gleichzeitig das „Wie“ entwickelte, um dorthin zu gelangen. Mit Steelcase fand das Team einen Partner und wertvollen Wegbegleiter, der mit Wissen, Erfahrungen und Kontakten ebenso aufwartete wie mit innovativen Design-, Möbel-, Einrichtungs- und Ausstattungslösungen.
„Steelcase unterstützte uns mit seinen Forschungsergebnissen und half uns beim Lösen vieler heikler Probleme, denen wir im Planungsverlauf begegneten. Weil Steelcase unsere Ziele wirklich verstanden hat, trug die Zusammenarbeit zudem dazu bei, Fehler zu vermeiden“, sagt Cameron. Der Planungsprozess umfasste Workshops mit den Nutzern, aber auch den Bau von Musterräumen, die wichtige Feedbacks beispielsweise zu technischen Fragen, zum Farbkonzept und zur Auswahl der richtigen Stühle und Arbeitsflächen lieferten.
Ebenso wertvoll war die von Steelcase initiierte Vernetzung mit anderen progressiven Universitäten, z. B. durch Vor-Ort-Besuche und Kontakte zu Führungskräften am MIT, in Harvard und weiteren namhaften Einrichtungen. Darüber hinaus besuchte das Planungsteam der University of Glasgow die Steelcase-Standorte in München und Grand Rapids sowie mehrere andere Unternehmen. „Leider beobachten Hochschulen in der Regel nur, was andere Hochschulen machen“, sagt Cameron. „Dabei sind uns die Wirtschaft und die Industrie oft ein Jahrzehnt voraus, und wenn es um teamorientierte Arbeitsweisen geht, haben sie häufig schon die übernächste Generation an Herausforderungen bewältigt. Deshalb habe ich den Standpunkt vertreten, dass wir uns ansehen sollten, was dort vor sich geht, um so von deren Erfahrungen lernen zu können.“
Die Zusammenarbeit mit Steelcase endet nicht bei den im Rahmen des Masterplans entstehenden Neubauten, sondern beinhaltet auch die Umgestaltung der Bestandsgebäude. So können Studierende und Lehrkräfte auf dem gesamten Campus von den neuen Qualitäten und Funktionalitäten profitieren. Zugleich will Cameron dadurch sicherstellen, dass „die Studenten keinen Campus erleben, der hinsichtlich der Lernerfahrungen zweigeteilt ist“.
„Unsere Partnerschaft basiert auf einem echten Miteinander und es geht um mehr als nur um Möbel und die Einrichtung von Arbeitsplätzen. Wir wollen vielmehr positive Arbeitsplatzerlebnisse schaffen und verstehen, wie sich die Dinge entwickeln und was die Zukunft bringt.“
Nicola CameronM.A., Director of Property and Investment
Die wichtigste Lektion von COVID: Der persönliche Austausch macht den Unterschied
Der James McCune Smith Learning Hub ist der erste im Rahmen des neuen Masterplans errichtete Neubau. Sein Name geht auf einen Absolventen der University of Glasgow zurück, der in den USA in die Sklaverei hineingeboren wurde und als erster Afroamerikaner überhaupt einen Medizinabschluss erwarb. Die Vorzeigeeinrichtung für 2500 Studierende bietet ein kreatives räumliches Umfeld, das flexible Studien-, Lern- und Gemeinschaftsbereiche mit multimethodischen und technologiegestützten Lehrumgebungen kombiniert. Nach einer Phase der nur teilweisen Nutzung als Lernstätte fand die offizielle Eröffnung des James McCune Smith Learning Hub wegen COVID-Beschränkungen schließlich im September 2021 statt.
Das Coronavirus hatte die Pläne zwar ins Stocken gebracht. Zugleich hat es dem Team rund um Nicola Cameron aber auch wichtige Denkanstöße zur Beziehung zwischen dem Lehren und dem physischen Raum gegeben: „Warum kommen die Menschen auf den Campus? Sie kommen, weil sie mit Kollegen an einem Projekt arbeiten oder einem Problem, das sie beschäftigt, auf den Grund gehen wollen. Vielleicht wollen sie aber auch einfach nur mit anderen Menschen zusammen sein, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu erleben.“
„Wenn uns das letzte Jahr etwas gelehrt hat“, fährt sie fort, „dann, dass einige der wichtigsten Lernräume zwischen den Klassenzimmern, Hörsälen und Labors liegen – dort, wo die Menschen zusammenkommen, um sich auszutauschen. Das ist es, was den Menschen am meisten gefehlt hat. Natürlich kann man Online-Unterricht abhalten und auf virtuelle Meetings umschwenken. Aber man kann sich auf diese Weise nicht einfach zufällig treffen und einen Kaffee oder Tee trinken. Reale Orte ermöglichen echte Erfahrungen. Das wird immer klarer und erweist sich als wichtiger denn je.“
„Bei Universitäten stehen nicht die Gebäude, sondern die Menschen im Mittelpunkt“, stimmt Neal Juster zu. „Herausragende Hochschulen gewinnen herausragende Menschen, weil sie die Räume bieten, in denen sie gut arbeiten können. Diese Räume müssen sich an die Arbeitsweisen der modernen Welt anpassen können und die Vernetzung und die Teamarbeit ebenso fördern wie die Transparenz und die Gemeinschaft. Dieses Ziel wollen wir bei der Gestaltung aller unserer Gebäude erreichen.“