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Simon Sinek und die Kunst zu spielen

Simon Sineks neues Buch „The Infinite Game” stellt alles infrage, was Sie über die Geschäftswelt zu wissen glaubten.

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Vielleicht kennen Sie Simon Sineks TED-Vortrag zum ‚Golden Circle‘ – immerhin ist er der dritterfolgreichste TED-Talk aller Zeiten

Oder Sie haben seine Bestseller „Frag immer erst: Warum“ („Start with Why“) und „Gute Chefs essen zuletzt“ („Leaders Eat Last“) gelesen. Simon Sinek hilft Menschen herauszufinden, was das „Warum“ in ihrem Leben ist. In seinem neuen Buch geht Sinek über das „Warum“ hinaus, um Unternehmen zu helfen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein. In „Das unendliche Spiel“ („The Infinite Game“) stellt er viele Aspekte bewährter Geschäftsprinzipien in Frage. Chris Congdon, Redakteurin des 360° Magazins, hat mit ihm über den Unterschied zwischen endlichen und unendlichen Spielen gesprochen und warum viele Führungskräfte hier gewaltig danebenliegen.

360°: Wie kamen Sie auf die Idee, sich mit unendlichen Spielen zu beschäftigen?

Sinek: Der Theologe James Carse hat in den 1980ern ein Modell zu Spielen mit festem und offenem Ende entwickelt. Ihm zufolge spricht man von einem Spiel, wenn es mindestens einen Wettbewerber gibt. Er unterscheidet zwei Arten von Spielen: endliche Spiele mit festgelegtem Endpunkt und quasi ‚unendliche‘ Spiele mit offenem Ende.

Beim Spiel mit festgelegtem Ende stehen die Teilnehmer und Regeln fest und es gilt ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wie z.B. im Fußball. Man hält sich an die Spielregeln, am Ende wird eine Seite zum Gewinner erklärt und das Spiel ist vorbei. Es gibt einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Im offenen Spiel gibt es bekannte und unbekannte Teilnehmer. Die Regeln können sich ändern und das Ziel ist es, so lange wie möglich im Spiel zu bleiben.

360°: Also kann man ein offenes Spiel nicht gewinnen?

Sinek: So ist es. Als ich das Konzept kennenlernte, wurde mir klar, dass wir an vielen offenen Spielen teilnehmen. In der Ehe, in Freundschaften und in der Weltpolitik gibt es keine Gewinner. Und es gibt definitiv keine Gewinner in der Geschäftswelt. Die Spieler kommen und gehen. Einer geht bankrott, dann tritt ein neues Unternehmen aufs Parkett, aber das Spiel geht auch weiter, wenn man selbst nicht mehr dabei ist.

Mir fiel auf, dass viele Führungskräfte gar nicht wissen, an was für einem Spiel sie beteiligt sind. Sie sprechen darüber, dass sie die Nummer Eins und die Besten sein wollen und die Konkurrenz schlagen werden. All diese Punkte lassen sich nicht umsetzen. Ich fand Folgendes heraus: wenn man in unendlichen Spielen eine endliche Geisteshaltung an den Tag legt und somit seine Perspektive einschränkt, kann nur eins mit Sicherheit vorhergesagt werden – es entsteht mehr Misstrauen, und Kooperation und Innovation leiden.

360°: Aber Konkurrenz kann einen ja auch beflügeln. Was ist falsch daran, wenn man besser sein will als die Mitbewerber?

Sinek: Das Wort ‚Mitbewerber‘ setzt eine falsche Dynamik in Gang. Beim Wettbewerb geht es ums Gewinnen. Das Problem hierbei ist, dass wir die Maßstäbe und den Zeitraum für den
Wettbewerb willkürlich setzen. Man kann jede Art von Maßstab wählen und sich dann als Gewinner darstellen. Aber wenn wir uns vor allem darauf konzentrieren, die Konkurrenz zu besiegen, treffen wir manchmal Entscheidungen, die uns nicht weiterbringen. Wettbewerb fördert nicht die Innovation, da wir uns am Handeln der anderen orientieren, anstatt auf ein Ziel hinzuarbeiten, das wir selbst als wichtig erachten. Und wenn man mal die Nummer Eins ist, steht man automatisch in der Defensive und versucht seine Position zu verteidigen. Auch das schadet der Innovation.

360 Illustration
Sineks Kreismodell fordert Unternehmen dazu auf, den Sinn hinter ihrem Handeln, also das „Warum“, als Wegweiser dafür zu nutzen, was sie tun und warum sie es tun.

In offenen Spielen ist es sinnvoller, sich auf gesunde Konkurrenz zu konzentrieren. Man sucht sich ein anderes Unternehmen oder einen anderen Player, der es wert ist, dass man sich mit ihm vergleicht. Dieser Player mag in einem oder vielen Bereichen genauso gut oder besser sein als das eigene Unternehmen und setzt somit Maßstäbe. Man gibt sein Bestes, um gleichzuziehen und dennoch ist der einzig wahre Gegner in einem unendlichen Spiel man selbst.

360°: In Ihrem Buch erklären Sie, dass man ein „aufrichtiges Ziel“ benötigt. Was genau meinen Sie damit?

Sinek: Ein aufrichtiges Ziel verfolgt ein Ideal, das wir in Zukunft erreichen möchten. Wir setzen dieses Ziel so hoch an, dass wir es niemals erreichen können, aber dennoch alles in unserer Macht Stehende tun, um es wenigstens zu versuchen. Ein aufrichtiges Ziel gibt unserem Leben und unserer Arbeit Sinn. Unternehmen sprechen manchmal von Vision, Mission oder Marke. Aber die Bezeichnung ist nicht so wichtig.

„Wenn man in unendlichen Spielen eine endliche Geisteshaltung an den Tag legt und somit seine Perspektive einschränkt, kann nur eins mit Sicherheit vorhergesagt werden – es entsteht mehr Misstrauen, und Kooperation und Innovation leiden.“

Simon Sinek speaking

360°: In der Geschäftswelt hört man immer, dass Unternehmen vor allem die Rendite für die Shareholder und Investoren steigern müssen. Und es erscheint ja auch sinnvoll, in Unternehmen zu investieren, die ihre Profite maximieren möchten. Warum ist das für Sie kein aufrichtiges Ziel?

Sinek: Geld an sich ist kein Ziel. Geld ist, wenn überhaupt, eine Konsequenz. Die dieser Weltanschauung zugrundeliegende These stammt von Milton Friedman, der den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften gewonnen hat. Er stellte in den 1970ern eine Theorie zur Maximierung des Profits im Rahmen der gesetzlichen Auflagen vor. Die Idee, dass die Shareholder am wichtigsten sind, wurde in den 80ern und 90ern bereitwillig übernommen. Das Problem ist nur, dass bei dieser sehr simplen Sichtweise Geld das einzig wahre Ziel ist. Aber das Geschäftsleben ist sehr viel dynamischer. Es sind Menschen daran beteiligt. Und wo bleibt die Ethik? Ethische Maßstäbe sind sehr viel strenger als gesetzliche.

Ein aufrichtiges Ziel zu verfolgen, also eines, das darüber hinaus geht, einfach Geld zu verdienen, ist wirklich ein sehr guter Weg, Unternehmen zu führen. Unternehmen, die sich an einem solchen Ziel orientieren, überholen auf lange Sicht die anderen Unternehmen.

„Ein aufrichtiges Ziel zu verfolgen, also eines, das darüber hinaus geht, einfach Geld zu verdienen, ist wirklich ein sehr guter Weg, Unternehmen zu führen.“

360 Magazin Simon Sinek Q&A

360°: Auf Makroebene ist ein Wandel zu Teamarbeit mit hohem Tempo für mehr Innovation und Wachstum in Unternehmen erkennbar. Damit das funktioniert, muss viel Vertrauen vorhanden sein. Was können Unternehmen tun, um mehr Vertrauen zu schaffen?

Sinek: Wenn die Teammitglieder sich auf psychologischer Ebene sicher fühlen, trauen sie sich zu sagen: „Ich habe einen Fehler gemacht.“ oder „Zu Hause läuft alles schief und deshalb kann ich in der Arbeit nicht volle Leistung bringen.“ oder „Ich komme mit meiner neuen Rolle noch nicht klar und brauche mehr Schulungen.“ Wenn die Mitarbeiter solche Aussagen treffen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen oder einer Blamage zu haben, ist eine gute Vertrauensbasis vorhanden. Wenn eine Führungskraft sich nicht dafür einsetzt, eine vertrauensvolle Atmosphäre im Team zu schaffen, hat das zur Folge, dass die Teammitglieder jeden Tag in die Arbeit kommen und sich verstellen, lügen und versuchen, ihr wahres Ich so gut es geht zu verbergen. Sie vertuschen Fehler und behaupten, Dinge zu können, zu denen sie gar nicht in der Lage sind. Und das geht nie lange Zeit gut.

Wir sind nun mal soziale Wesen und brauchen einander. Zusammen sind wir besser. Es ist Aufgabe der Führungskraft, die Stimmung in die richtige Richtung zu lenken. Es ist wie mit den eigenen Kindern. Man kann sich seine Kinder nicht aussuchen. Und manchmal kann man sich auch sein Team nicht aussuchen. Aber ganz egal, wie die eigenen Kinder sind oder das Team ist – man muss ihnen Vertrauen schenken und liebevoll begegnen. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, wenn Führungskräfte sagen: „Er muss sich mein Vertrauen erarbeiten.“ Nein – es läuft genau umgekehrt. Die Mitarbeiter sind nicht dazu verpflichtet, dem Vorgesetzten zu vertrauen. Vorgesetzte müssen ihren Angestellten vertrauen. Und Führungskräfte müssen sich das Vertrauen der Mitarbeiter erarbeiten. Wenn wir uns darum kümmern, ein Umfeld zu erschaffen, in dem sich Menschen auf psychologischer Ebene sicher genug fühlen, um sie selbst sein zu können, profitiert die Teamarbeit immens davon und wir können unsere Teamkollegen wirklich ins Herz schließen.

 

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