Die neuen Führungskräfte: „Wir müssen etwas verändern“
Die Ford Motor Company steht vor wichtigen Entscheidungen. Der Wettbewerbsdruck, disruptive technische Fortschritte und der Wandel in der Großindustrie verlangen es von dem 113 Jahre alten Unternehmen, innovativer zu sein und die richtigen Ideen schneller umzusetzen. Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre haben die Manager im Blick, die den richtigen Weg einschlagen müssen, um den Konzern voranzutreiben. Führungskräfte bei Ford haben erkannt, dass die von Hierarchien geprägten Managementpraktiken von gestern nicht zur Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe geeignet sind.
„Ich glaube fest an die Zusammenarbeit und die Integration als Mittel, um ein Unternehmen voranzutreiben“, sagt Jim Farley, CEO und Chairman von Ford Europa.
Triebkräfte des Wandels
Farley beschreibt, wie schnell sich der Automobilsektor wandelt. Globale Autobauer werden besser und schneller, während Luxusmarken immer häufiger zum Mainstream zählen. Neue Technologien bewirken rasche Veränderungen in der Branche. Und die Autoindustrie bewegt sich vom reinen Autoproduzenten hin zum Anbieter von Mobilitätslösungen. Autos sind zu 90 Prozent der Zeit ungenutzt, zugleich haben die Sharing Economy und der Verkehrsinfarkt der Großstädte zu einer massiven Zunahme der Mobilitätsdienstleistungen geführt.
All diese Punkte haben Ford dazu gebracht, sich einem Transformationsprozess zu unterziehen: „Wir müssen etwas verändern“, sagt Farley. „Wir können entweder so weitermachen wie bisher und auf der Stelle treten oder einen anderen Weg einschlagen und ein aufregendes Unternehmen werden.“
Vitalität. Anpassungsfähigkeit. Agilität. Das sich stetig ändernde globale Geschäftsumfeld lässt Top-Manager nach neuen Führungsmodellen suchen, aber auch nach Wegen, um Unternehmen robuster zu machen. Ford ist nicht allein mit seinem Versuch, trotz schwer vorhersehbarer Rahmenbedingungen erfolgreich zu sein. Egal, ob es um den Wandel der Arbeitsplatzkultur geht, um breiter angelegte Entscheidungsprozesse oder um das Arbeiten in Unternehmen mit deutlicher ausgeprägten Matrixstrukturen – Führungskräfte berichten darüber, dass sie die Art zu arbeiten verändern, um die Agilität und das Engagement der Mitarbeiter zu erhöhen.
Neue Umgebungen
Die neuen Arbeitsweisen erfordern ein neues Arbeitsumfeld, dessen Gestaltung die Führungskräfte optimal unterstützt. Zukunftsorientierte Unternehmen wissen, wie sich dieses Arbeitsumfeld einsetzen lässt, um den Mitarbeitern kulturelle Werte zu vermitteln.
Jacques Guers, Corporate Vice President bei Xerox, ist sich sicher, dass der hohe Wettbewerbsdruck und das langsame Wachstum auch in seinem Unternehmen dazu führten, den wesentlichen Einfluss der Arbeitsumgebung auf das Engagement der Mitarbeiter wiederzuentdecken. „Wir reisen weniger und haben unsere Büroflächen verkleinert – das Potenzial der bestehenden Umgebung voll auszuschöpfen steht heute im Mittelpunkt“, sagt Guers.
Einen weiteren Faktor, der diese neuen Arbeitsweisen vorantreibt, sieht Guers in den mobilen Technologien. Smartphones, Tablets und Laptops erlauben es den Führungskräften, jederzeit überall zu arbeiten. Diese Möglichkeit bringt enorme Vorteile mit sich, verursacht aber auch erhebliche Kosten. Noch größer sind die Herausforderungen, denen Führungskräfte in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Pflege von Beziehungen und Netzwerken gegenüberstehen.
Die Arbeitsumgebung als Werkzeug
Das traditionelle Chefbüro kann leicht zur Barriere werden. „Die physische Präsenz von Führungskräften sollte Teil der Unternehmenskultur sein, vor allem in Zeiten der Unsicherheit“, sagt Guers. „Sich in einem abgeschlossenen Büro aufzuhalten, zeugt dagegen von überholten Managementpraktiken und signalisiert den Mitarbeiten sowohl das Bedürfnis nach Abschottung von äußeren Einflüssen als auch einen Führungsstil, der kaum schlechter sein könnte.“
Jim Farley von Ford Europa denkt, dass die eigenen Geschäftsleitungsbereiche durchaus noch mehr zur Förderung von Innovationen und zur Umsetzung der nötigen Veränderungen beitragen könnten.
„Rund 20 Führungskräfte berichten direkt an mich, und jedes Mal, wenn ich sie sehen und mit ihnen sprechen möchte, muss ich drei massive Türen passieren und auf dem Rückweg nochmal drei. Das macht bei jedem Kontakt sechs Türen“, sagt Farley.
Auch für Christophe Catoir, President der Adecco Group Frankreich, ist klar, dass die Arbeitsumgebung Botschaften an die Mitarbeiter aussendet. Er sieht daher die Notwendigkeit, sich intensiv mit den eigenen Räumen auseinanderzusetzen. „In Frankreich versuchen wir zwar modern zu sein, indem wir Open Spaces propagieren und den Mitarbeitern attraktive, gemeinschaftlich genutzte Bereiche als Treffpunkte bieten – Manager hingegen verfügen nach wie vor über abgeschlossene Büros.“ Die Unternehmenskultur der Adecco Group Frankreich rückt den freundlichen Umgang und die Pflege von Beziehungen in den Mittelpunkt, was zu Arbeitsumgebungen führt, die emotionale Verbindungen und soziale Interaktionen fördern.
Führungskräfte müssen wissen, auf welche Weise das Arbeitsumfeld die Mitarbeiter unterstützen kann. Laut Xavier Susterac, Senior Vice President bei BASF Südeuropa, kann es sein, dass Projektmanager und Berater die Kultur des Unternehmens oder des Landes nicht kennen, während es für Führungskräfte jedoch unerlässlich ist, beides zu berücksichtigen. „Die Einbeziehung der kulturellen Hintergründe ist bei der Planung von Arbeitsplätzen essenziell. Die Herausforderung dabei ist, die Unternehmenskultur mit der lokalen Kultur in Übereinstimmung zu bringen.“
Wesentliche Gestaltungsprinzipien
Nach langjähriger Forschungsarbeit entdeckte das Steelcase Team drei wesentliche Prinzipien zur Gestaltung von Geschäftsleitungsbereichen, die dazu beitragen, eine adaptive Kultur zu fördern
Raum als Synapse: Die Pflege von Beziehungen wird zunehmend zur Herausforderung, weil Unternehmen vernetzter und integrierter sind als je zuvor, und weil Führungskräfte über straff organisierte Terminkalender verfügen, um den Ansprüchen an ihre Zeit und Anwesenheit zu genügen. Geschäftsleitungsbereiche können die Verknüpfung von Menschen und Informationen verbessern und mobilen Managern eine virtuelle Präsenz bieten, die sich kaum noch von dem unterscheidet, was die Kollegen vor Ort erleben.
Individualität fördern: Wissenschaftler bestätigen eine Verknüpfung zwischen der körperlichen und mentalen Gesundheit und der Leistungsfähigkeit des Gehirns. Hoher Stress wirkt sich auf Denkweisen und Problemlösungsstrategien aus, wenn er nicht angemessenen berücksichtigt wird. Arbeitsumgebungen, die Führungskräften helfen, diesen Stress zu bewältigen und die zudem das Wohlbefinden fördern, können kognitive Leistungen verbessern.
Übergänge ermöglichen: Führungskräfte müssen den ganzen Tag über zwischen den unterschiedlichsten Informationen und Zusammenhängen hin und her wechseln. Das kostet Zeit – eine entscheidende Ressource. Arbeitsumgebungen können dazu beitragen, dass sie leichter in den Kontext eintauchen und schneller im „Flow“ arbeiten können.
Der neue Prototyp des Steelcase Geschäftsleitungsbereichs
Steelcase ist seit jeher bereit, aus Experimenten im eigenen Unternehmen zu lernen, und befindet sich derzeit mitten in der Testphase eines neuen Prototyps für Geschäftsleitungsbereiche. Auf Grundlage von Forschungsergebnissen wurde im Herzen des Unternehmenshauptsitzes eine neue Leadership Community eingerichtet. Anders als der frühere Geschäftsleitungsbereich, der sich in einem der oberen Geschosse befand, liegt der neue Bereich an einem Haupterschließungsweg im Erdgeschoss. Die Geschäftsführer sind dadurch besser erreichbar und präsenter geworden, während ihnen bei Bedarf nach wie vor Rückzugsbereiche zur Verfügung stehen.
Die Geschäftsführer haben sich mit einem Minimum an Barrieren mitten in den Ideen- und Menschenströmen des Unternehmens platziert und damit zugleich die Einladung ausgesprochen, dass hier jeder überall arbeiten kann – unabhängig von Aufgabengebieten oder Status. Der Prototyp des Geschäftsleitungsbereichs ist nicht nur ein Arbeitsort, sondern eine Art Drehscheibe, die Verknüpfungen schafft bzw. stärkt.
„Führungskräfte müssen ein vertrauensvolles und sicheres Umfeld schaffen, damit sich die Menschen frei entfalten können und sowohl den Mut haben, Neues auszuprobieren als auch zu scheitern“, sagt Innovationsforscher Dr. Iñaki Lozano Ehlers*, Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung BICG.
Durch die offene Raumstruktur und indem sie ein Ökosystem von Räumen schaffen, bieten diese vernetzten Arbeitsplätze den Führungskräften die Möglichkeit, Beziehungen zu den Beschäftigten aufzubauen und genau dort präsent zu sein, wo auch die Menschen sind.
Professor Wilhelm Bauer**, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IAO, untersucht Innovationen und Veränderungen in Unternehmen. Er sieht Führungskräfte in der Rolle als Kuratoren der Kultur, die allen Beschäftigten klar und konsequent die Unternehmenswerte vermitteln.
„Ist der übergeordnete Zweck eines Unternehmens erst einmal geteilt, verstanden und zu eigen gemacht, können Führungskräfte eine Kultur aufbauen, die alle Beschäftigte einbezieht und dadurch die Grundlage für größere Geschäftserfolge bildet“, sagt Bauer.
Bei Ford geht es weiter darum, die Zusammenarbeit und Integration zu verbessern. Für Farley steht außer Frage, dass das Arbeitsumfeld einen entscheidenden Einfluss hat. „Räume beeinflussen ganz wesentlich die Grundstimmung und zeigen überaus anschaulich, wie wir uns die Arbeit der Menschen vorstellen.“
Mehr Informationen über die neue Steelcase Leadership Community finden Sie im Artikel „Die neuen Führungskräfte”.
*Dr. Iñaki Lozano Ehlers: Als Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung BICG (Business Innovation Consulting Group) kooperiert Dr. Ehlers mit Kunden, um für sie maßgeschneiderte Lösungen zur Beseitigung der wichtigsten Probleme ihrer Unternehmen und Beschäftigten zu finden. BICG ist eine Forschungs- und Beratungsfirma, spezialisiert auf Innovationen und die Entwicklung von Strategien für neue Arbeitsweisen.
**Professor Wilhelm Bauer: Als geschäftsführender Leiter des Fraunhofer IAO leitet Professor Dr. Bauer ein Forschungsinstitut mit rund 600 Beschäftigten. Er ist verantwortlich für Forschungs- und Umsetzungsprojekte auf den Gebieten Innovationsforschung, Technologiemanagement, Leben und Arbeiten der Zukunft, Smart City und Mobility Innovation.