Dieser Artikel ist Teil unserer Serie zum Thema
„ Die nächsten Schritte planen: Der Arbeitsplatz nach Covid-19.”
Die Coronakrise hat uns alle ins Home Office verbannt – und uns zwangsläufig zu Teilnehmern eines Massenexperiments zum Thema Home Office werden lassen. Inzwischen öffnen die Unternehmen langsam wieder ihre Pforten. Deshalb setzen sich Führungskräfte gerade intensiv damit auseinander, wie sich die Arbeit aufgrund unserer Erfahrungen und Erlebnisse der letzten Monate verändern wird. Jetzt ist eine andere Art des Wettbewerbs gefragt. Eine Rückkehr zu ‚business as usual‘ ist nicht im Sinne der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Wir agieren gerade im unbeständigsten und komplexesten Geschäftsklima der Neuzeit – und dies stellt neue Anforderungen an alle. Um Erfolg zu haben, müssen Unternehmen nun extrem anpassungsfähig sein und auf veränderte Umstände – jetzt und in der Zukunft – sofort reagieren und sich anpassen können.
In diesem Artikel stellen wir Ihnen Forschungsergebnisse zu folgenden Themen vor:
Warum ein radikaler Trend in Richtung Home Office hohe Risiken birgt.
Warum die Rückkehr zum Status Quo keinen Sinn macht und diese Phase genutzt werden muss, um Veränderungen anzugehen.
Die nächsten Schritte: Fünf Wege zur Gestaltung von ansprechenden und sicheren Arbeitsumgebungen.
Wir sind an einem Wendepunkt angelangt und unsere Führungskräfte müssen entscheiden, wo und wie die Mitarbeiter arbeiten werden. Falsche Entscheidungen können schmerzhaft und kostspielig sein – in vielen Bereichen. Der Druck, die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist deshalb größer als je zuvor.
Was eine radikale Wende in Richtung Home Office wirklich bedeutet
Seit Erfindung von Laptop und W-LAN wurde immer wieder das Ende des Büros prophezeit. Momentan heißt es, das Büro befände sich in den letzten Zügen, da davon ausgegangen wird, dass Unternehmen die Arbeitsform des Home Office unterstützen, um ihren Angestellten mehr Flexibilität zu geben. Als die Corona-Pandemie unser Leben am stärksten einschränkte, sind wir alle zur Arbeit von zu Hause übergegangen und eine Zeitlang dachten viele, dass das Home Office ziemlich gut funktioniert. Aber nach einigen Monaten, in denen wir hauptsächlich per Videokonferenz interagiert haben, hat die Begeisterung deutlich nachgelassen. Die große Mehrheit – 88 bis 90 Prozent, je nachdem, welche Studie man zitiert – möchte wieder im Büro arbeiten.
Die große Mehrheit – 88 bis 90 Prozent, je nachdem, welche Studie man zitiert – möchte wieder im Büro arbeiten.
Was sollen also die Unkenrufe über das Verschwinden des Büros?
Drei häufige Irrtümer in Bezug aufs Home Office erwecken immer wieder den Eindruck, als wäre die Arbeit von zu Hause für jeden das Richtige.
Was hinter den drei häufigsten Irrtümern zum Home Office steckt
Kosten aufrechnen
Die höchsten Investitionen, die Unternehmen tätigen, fließen in ihre Immobilien und in die Mitarbeiter. Einige Unternehmen versuchen deshalb, die Immobilienkosten zu senken. Aber es ist wichtig, die versteckten Kosten zu verstehen, bevor man Immobilien nur als Kostenfaktoren betrachtet.
Produktivität definieren
Wie definiert und misst ein Unternehmen die Produktivität? Routinearbeiten lassen sich gut von zu Hause aus erledigen. Arbeitgeber interessiert es nicht, ob ihre Mitarbeiter eine leere Inbox vorweisen können – sie benötigen gute Ideen, Problemlösungskompetenzen und Innovation.
Fokus auf Wohlbefinden
Von zu Hause aus arbeiten klingt verlockend, da man sich eine bessere Work-Life-Balance erhofft. Aber eine radikale Abkehr vom Büro kann dazu führen, dass die Mitarbeiter im Home Office Probleme damit haben, Arbeit und Privatleben zu trennen, was sich negativ auf das körperliche, kognitive und emotionale Wohlbefinden auswirkt.
Irrtum #1
„Wenn die Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, sparen wir Geld”
Es stimmt, dass durch geringere Immobilienkosten und den Wegfall anderer mit dem Arbeitsplatz verbundenen Ressourcen Geld gespart werden kann. Aber es entstehen gleichzeitig verdeckte Kosten, die einem klar sein sollten, bevor man seine Mitarbeiter komplett ins Home Office entlässt.
Tatsache:
Von zu Hause aus arbeiten kann nicht jeder. Wird dies erwartet, kann es sein, dass einige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
Einige leitende Führungskräfte mögen den Eindruck haben, dass die Arbeit von zu Hause aus hervorragend funktioniert, aber die Datenlage zeichnet ein anderes Bild. Führungskräften steht für gewöhnlich mehr Raum zur Verfügung als dem durchschnittlichen Angestellten, meist in Form eines perfekt ausgestatteten Home Office. Sie verbringen viel Zeit in Videokonferenzen und beurteilen aus ihrem bequemen Büro die Arbeit der anderen. Aber Teams und jüngere Angestellte haben oft weniger Platz zur Verfügung und müssen diesen mit Mitbewohnern oder ihrer Familie – oft mit Kleinkindern – teilen. Ihnen stellen sich im Arbeitsalltag einige Herausforderungen, gegen die sie nicht auf Dauer ankämpfen können.
Die Ergebnisse der Steelcase-Forschungen zeigen, dass leitende Führungskräfte (Geschäftsführer oder höhere Führungsebene) im Vergleich zu anderen Mitarbeitern folgende Ausstattungsmerkmale zur Verfügung haben:
Die Steelcase-Studien ergaben außerdem, dass 75 % der leitenden Angestellten zu Hause immer an einem dafür geeigneten Arbeitstisch arbeiten, während dies nur für 46 % der anderen Angestellten der Fall ist. In großen Ballungszentren auf der ganzen Welt müssen die Menschen häufig mit begrenztem Wohnraum zurechtkommen, den sie meist noch mit anderen teilen. Dies kann die Arbeit von zu Hause aus deutlich erschweren. Laut Forschungen der Cheung Kong Graduate School of Business in Peking berichtet mehr als die Hälfte der Angestellten, dass ihre Effizienz im Home Office gelitten hat.
Für Menschen ohne adäquat eingerichtetes Home Office könnte die Abschaffung des Büros dazu führen, dass sie sich nach einer anderen Stelle umsehen. Tatsächlich sagen nur 5 Prozent der Menschen, die häufig oder immer von zu Hause aus arbeiten, dass sie im weiteren Arbeitsleben beim jetzigen Unternehmen bleiben möchten. Bei Mitarbeitern, die nie von zu Hause aus arbeiten, sind es im Vergleich dazu ganze 28 Prozent (Workplace Trends and Virgin Pulse).
Von den Mitarbeitern, die immer oder fast immer im Home Office arbeiten, sagen nur 5 %, dass sie ihr weiteres Arbeitsleben im jetzigen Unternehmen verbringen möchten.
(Workplace Trends and Virgin Pulse)
Tatsache:
Zu viel Fernarbeit schadet dem sozialen Gefüge des Unternehmens und steht der Innovation im Weg.
Laut Dr. Judy Olson von der University of California, Irvine, die sich mit Fern- und Distanzarbeit beschäftigt und bereits mehr als 100 Artikel zu dieser Thematik verfasst hat, ist einer der Eckpfeiler erfolgreicher Fernarbeit, dass die Kollegen, die jetzt online zusammenarbeiten, bereits im Büro miteinander zusammengearbeitet hatten. Kollegen, die bereits persönlich miteinander zu tun hatten, haben eine Art ‚soziales Kapital‘ aufgebaut, also ein gemeinsames Wertesystem, das es ihnen ermöglicht, auch auf Distanz gemeinsam gute Arbeitsresultate zu erzielen, so Olson. Dies führt zu Vertrauen - der Grundlage für Innovation.
In einem Interview mit der Financial Times* äußerte der Leiter der Citigroup Investment Bank Paco Ybarra Bedenken, dass ohne direkten Kontakt im Laufe der Zeit das soziale Kapital, das Fernarbeiter benötigen, aufgebraucht wird. Diese Befürchtung wird durch die Erfahrungen der Teilnehmer von groß angelegten, verpflichtenden Home Office-Programmen bestätigt, die gezeigt haben, dass sich die richtigen Probleme erst nach etwa einem Jahr zeigen, wenn die Mitarbeiterfluktuation beginnt, das soziale Netz aufzulösen, das über viele Jahre durch persönliche Interaktionen entstanden ist. Nimmt das soziale Kapital ab, sinkt auch die Arbeitsmoral. Daraufhin sinken Umsatz und Produktivität und letztlich beenden neue Führungskräfte unauffällig solche Arbeitsprogramme und setzen sich für die Rückkehr an den Arbeitsplatz ein (VitalSmarts).
Tatsache:
Das Home Office verringert die Sicherheit der Angestellten und die Konzernsicherheit.
Die meisten Arbeitsplätze zu Hause entsprechen nicht den hohen Standards für Arbeitssicherheit, denen Unternehmen Folge leisten müssen und die von Regierungsbehörden wie OSHA (Occupational Safety and Health Administration) in den USA, EU-OSHA in Europa oder der International Labour Organisation in Asien vorgegeben werden. Die Bestimmungen geben spezifische Sicherheitskriterien am Arbeitsplatz vor, was allerdings nur die Bedingungen im Unternehmen betrifft. Das Home Office wird hier nicht miteinbezogen (Forbes.com). Im Home Office ist allerdings die Gefahr eines Sturzes durch Stolpern und die Gefahr eines Brandes höher. Außerdem ist die Beleuchtung und die Ergonomie der Möbel häufig nicht optimal.
Das Thema IT- und Informationssicherheit ist ebenfalls wichtig, denn im Home Office wird weniger darauf geachtet, wer sich ins Netz einloggt und wer Zugang zu den Whiteboards, Tischen oder vertraulichen Dokumenten hat, die zu Hause meist offen von Dritten einsehbar sind. 84 % der IT-Experten sagen, dass ein hohes Risiko für Datenverluste besteht, wenn Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten. Das Büro unterliegt stärkeren Kontrollen und Vorgaben bzgl. der Arbeits- und Unternehmenssicherheit. Die Arbeitgeber verlieren die Kontrolle und gehen ein gesteigertes Risiko ein, wenn mehr und mehr Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten.
Irrtum #2
„Mitarbeiter sind im Home Office genauso produktiv (oder sogar produktiver) als im Büro”
Dies hängt ganz von der Definition von Produktivität ab. Einige Arbeitsaufträge lassen sich sehr gut von zu Hause aus erledigen. Aber die echte Produktivität von Wissensarbeitern, die zu Kreativität, Innovation und Transformation führt, ist bekanntermaßen sehr schwer kurzfristig messbar - insbesondere während einer Pandemie - und lässt sich virtuell nur schwer erzielen.
Tatsache:
Die Ergebnisse von Aufgaben, die alleine bearbeitet werden, können sich verbessern. Andererseits leiden Prozesse, die Zusammenarbeit und Kreativität erfordern.
Laut einer Studie von Microsofts Modern Office-Team mit 300 Personen ist die Anzahl kurzer Besprechungen deutlich gestiegen, wohingegen es weniger längere Meetings gibt.
Kurze Besprechungen scheinen auf den ersten Blick die Produktivität zu steigern. In der Realität sieht es allerdings völlig anders aus: In den Worten einer Führungskraft im technischen Bereich: „Unser Tag ist vollgepackt mit kurzen Sprints. Wir gehen von einem Meeting ins nächste, ohne Zeit zu haben, über das Ergebnis eines Meetings nachzudenken, geschweige denn entsprechend zu handeln.“ Kurz gesagt - die Zusammenarbeit ist sehr viel schwieriger.
Die Zeit, in der man mit anderen zusammenarbeitet, ist um 62 % gesunken
(Steelcase WorkSpace Futures-Forschungen)
55 % der Befragten geben an, dass die Zusammenarbeit mit anderen aus dem Home Office schwieriger ist
(Gensler’s U.S. Work from Home Survey 2020)
Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass die Online-Zusammenarbeit in der Krise erfolgreich war. Aber es ist wichtig, zwischen drei verschiedenen Arten der Zusammenarbeit zu unterscheiden:
– Informativ: Informationen teilen oder Aufgaben koordinieren
– Evaluativ: Optionen abwägen, Entscheidungen treffen
– Generativ: Neue Ideen entwickeln und komplexe Probleme lösen
Tatsache:
Nähe und soziales Verantwortungsgefühl steigern die Produktivität.
Es wurde bereits mehrfach und belastbar belegt, dass Nähe die Teamproduktivität steigert. Olson (UC Irvine, früher tätig an der University of Michigan) war an einer Studie bei Ford beteiligt, die bewies, dass sich die Produktivität von Teams, die im selben Raum arbeiteten, verdoppelte im Vergleich zu der Zeit, als die Teilnehmer noch auf verschiedene Stockwerke verteilt waren. Menschen können die Körpersprache ihrer Kollegen deuten, bei Bedarf unterstützen und erhalten im Verbund schneller Antworten auf ihre Fragen, bemerkt Olson. Der Anstieg agiler Arbeitsweisen, für die Co-Location, also die Arbeit an einem gemeinsamen Ort, wichtig ist, bestätigt diese Erkenntnisse. Außerdem zeigen Studien, dass man sich mehr anstrengt, wenn man von Menschen umgeben ist, die hart arbeiten. Dieses Prinzip ist als „Social Facilitation” bekannt. Menschen laufen schneller, sind kreativer und setzen sich intensiver mit Problemen auseinander, wenn andere sie dabei sehen können, so die Harvard Business Review.
Informative und evaluative Zusammenarbeit kann sehr einfach per Video stattfinden. Aber die generative Zusammenarbeit stellt die größte Herausforderung dar und lässt sich online nur schwer replizieren. In einer komplett virtuellen Umgebung ist es schwierig, den normalen Gesprächsfluss aufrechtzuerhalten und die Körpersprache der anderen zu deuten, während man präsentiert. Dies sind aber zwei für die Innovation unverzichtbare Faktoren. In einem Interview, dass Wired vor kurzem durchführte, sprach Google CEO Sundar Pichai genau dieses Thema an. Er bezweifelte, dass virtuelle Teams genauso produktiv sein können, wie nicht-virtuelle, wenn die Teammitglieder gemeinsam Brainstorming-Sessions durchführen und kreativ arbeiten sollen, ohne einander jemals begegnet zu sein.
Tatsache:
Arbeit ist eine überaus soziale Angelegenheit. Zufällige Interaktionen finden online nicht statt.
Laut dem Gensler US Work from Home Survey 2020 antworten 74 % der Teilnehmer der Umfrage auf die Frage, was sie am meisten im Büro vermissen, mit „andere Menschen“, ein Ergebnis, das niemanden erstaunt. Aber hier geht es nicht um den reinen Wohlfühlfaktor. Arbeit ist eine überaus soziale Angelegenheit. Die Teilnehmer der Umfrage geben folgende vier Gründe für die Rückkehr ins Büro an:
Tatsache:
Möglicherweise sind wir dabei, eine „verlorene Generation“ an Angestellten zu erschaffen.
Die Arbeit von zu Hause hat unverhältnismäßig hohe Auswirkungen auf Millennials und die Mitglieder der Generation Z. Von allen betroffenen Generationen haben sie am wenigsten das Gefühl, etwas erreicht zu haben und verstehen nicht, wie sie von zu Hause aus zu den Unternehmenszielen beitragen können und was von ihnen erwartet wird (Gensler U.S. Work from Home Survey 2020). Nur 35 % beider Gruppen haben das Gefühl, mit ihrer Arbeit im Home Office etwas wirklich Wertvolles beigetragen zu haben. Die Gen X (39 %) und die Baby Boomer (44 %) empfinden dies anders. Durch die Fernarbeit gibt es auch weniger Möglichkeiten zum Netzwerken und kaum Chancen, einen Mentor zu finden. Berufliche Weiterentwicklung und Coaching sind für ein Drittel aller Angestellten die wichtigsten Gründe, wieder ins Büro zurückzukehren. Eine radikale Wende in Richtung Home Office könnte sich negativ auf die Fähigkeit von Unternehmen, zukünftige Führungskräfte zu entwickeln, auswirken.
54 %
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45 %
Unser berufliches Netzwerk verkleinert sich, wenn wir uns auf Interaktionen am Bildschirm beschränken müssen, wo wir die Teilnehmer nur auf kleinen Bildausschnitten mit irritierendem Strandbild im Hintergrund sehen können. Unterhaltungen im Vorbeigehen auf dem Flur finden überhaupt nicht statt und neue Leute zu treffen wird immer schwieriger. Steve Jobs war dafür bekannt, dass er vom Wert zufälliger Begegnungen überzeugt war. Er sprach in dem Zusammenhang von „engineered serendipity“, was sich in etwa mit „angebahnte glückliche Fügung“ übersetzen lässt. Beim Raumdesign für Pixar war er deshalb auch persönlich involviert, um sicherzustellen, dass ungeplante Interaktionen zwischen Angestellten ermöglicht wurden. Und Satya Nadella von Microsoft gab zu Bedenken, dass reine Produktivitätsanstiege nicht überbewertet werden sollten, da es schwierig ist, den Wert zu bemessen, der aus Management, Mentoring und den zwischenmenschlichen Beziehungen in Besprechungen entsteht, ganz besonders, wenn diese virtuell ablaufen. Innovative Ergebnisse entstehen, wenn Ideen zusammenkommen und Menschen gemeinsam Konzepte entwerfen, um Neues zu schaffen. Zufällige Begegnungen in Form von ‚glücklichen Fügungen‘ lassen sich nicht planen.
Irrtum #3
„Mitarbeiter im Home Office haben eine bessere Work-Life-Balance”
Die Arbeit von zu Hause bietet einige Vorteile - kein Anfahrtsweg, bequeme Kleidung und mehr Zeit mit der Familie oder dem Haustier. Aber Studien belegen, dass das Home Office seine ganz eigenen Nachteile mit sich bringt.
Tatsache:
Angestellte arbeiten länger, wenn die Grenzen zwischen „Arbeit“ und „Zuhause“ verschwimmen.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat sich die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit drastisch erhöht.
U.S.A.
Vereinigtes Königreich, Frankreich, Kanada und Spanien
Deutschland, Österreich, die Niederlande und Belgien
Die „Social Exchange Theory” weist darauf hin, dass Mitarbeiter, die die Möglichkeit zur Arbeit im Home Office erhalten, dazu tendieren, mehr zu arbeiten, berichtet die Harvard Business Review. Die Arbeitgeber erhöhen häufig das Arbeitspensum in einem Maß, das innerhalb der regulären Arbeitszeit nicht zu bewältigen ist, was Frustration und Burnout bei den Mitarbeitern zur Folge haben kann. Laut der von Buffer durchgeführten Studie Buffer’s State of Remote Work haben Angestellte im Home Office besonders häufig mit folgenden Probleme zu kämpfen: Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit und Kommunikation, Einsamkeit und die Tatsache, dass sie länger als geplant online bleiben.
Im Home Office kommt auch ein Phänomen namens „temporäre Desintegration“ vor. Sollten Sie sich fragen, welcher Tag denn heute eigentlich ist, dann sind Sie auch davon betroffen. Das Phänomen kann dazu führen, dass man sich desorientiert fühlt und einem das Zeitgefühl abhandenkommt. Der Grund dafür ist Vereinsamung und das Fehlen von klaren Zielen. Ohne Rituale, die stark an den Ort gebunden sind, wie z.B. die Fahrt ins Büro oder das Treffen mit anderen, fühlen sich alle Tage gleich an. Und ohne eine räumliche Trennung verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben.
Tatsache:
Nach virtuellen Besprechungen ist man deutlich erschöpfter als nach Besprechungen, bei denen alle am selben Ort sind.
„Zoom fatigue” (ein Erschöpfungszustand durch die Nutzung der Konferenzsoftware ‚Zoom‘) gibt es wirklich. Für die Ermattung, die viele empfinden, die den ganzen Tag über den Bildschirm kommunizieren müssen, gibt es eine neurowissenschaftliche Erklärung. Unser Gehirn muss sich mehr anstrengen, um die geringen Reize und Signale, die wir über den Bildschirm erkennen können, einzuordnen. Wir müssen uns mehr konzentrieren, um den Gesichtsausdruck, die Körpersprache sowie den Tonfall und die Stimmlage zu verstehen (BBC). Dazu kommt, dass wir unsere Aufmerksamkeit immer auf einen bestimmten Punkt richten müssen. Unser Gehirn und unsere Augen können sich dabei nicht so gut erholen, wie in Situationen, in denen alle gemeinsam vor Ort sind. Außerdem tut es zwar einerseits gut, die anderen per Video zu sehen, aber die viele Zeit, die wir auf der „virtuellen Bühne“ verbringen führt dazu, dass wir den Eindruck haben, uns auf eine bestimmte Art und Weise verhalten zu müssen, was ebenfalls ermüdend wirkt. Experten sagen, dass es wichtig ist, Grenzen zu setzen und Übergangsphasen nötig sind, um einer starken Ermüdung vorzubeugen und dass dies im viruellen Raum noch wichtiger ist als in der realen Welt.
Steelcase Forschungen während der Pandemie ergaben, dass sich nur 21 % der Mitarbeiter im Home Office als stark engagiert beschreiben - ein deutlich schlechteres Ergebnis als die 34 % , die im Steelcase Global Report: Mitarbeiterengagement und Arbeitsplätze in aller Welt, der vor der Coronakrise entstand, genannt werden. Weitere Studien, die vor der Krise durchgeführt wurden, bestätigen, dass ständige digitale Interaktionen ein Hindernis fürs Mitarbeiterengagement darstellen können. Die Angestellten fühlen sich, als würden sie gegen eine ‚digitale Wand‘ rennen. Zwei Drittel der Mitarbeiter, die häufig oder immer im Home Office arbeiten, sind nicht engagiert bei der Sache (Workplace Trends and Virgin Pulse). Virtuelles Arbeiten war etwas einfacher, als während der Pandemie jeder so arbeitete. Sobald wieder mehr Angestellte ins Unternehmen zurückkehren, wird es auch mehr Besprechungen mit „gemischter Anwesenheit“ geben. Dies kann zu einem Ungleichgewicht in der Wahrnehmung der physisch Anwesenden und der Mitarbeiter in Fernarbeit führen (Presence Disparity). Damit ist gemeint, dass die Mitarbeiter, die nicht mit ihren Kollegen in einem Raum sitzen, sich unter Umständen benachteiligt fühlen oder auch benachteiligt werden. Dies resultiert in Ineffizienz, was für die Anwesenden und Abwesenden gleichermaßen anstrengend ist.
Tatsache:
Zu viel Arbeit im Sitzen beeinträchtigt das Wohlbefinden.
WebMD befragte mehr als 1000 Leser in den USA und fand heraus, dass die Hälfte der Frauen und 25 % der Männer während der Ausgangsbeschränkungen zugenommen hatten. Einflussfaktoren waren: Bewegungsmangel (im Büro war man mehr zu Fuß unterwegs), keine regelmäßige Änderung der Körperhaltung, ständige Verfügbarkeit von Essen etc. Darüber hinaus führt ein nicht ergonomisches Arbeitsumfeld zu körperlichen Beeinträchtigungen. WKspace berichtet, dass 84 % der Angestellten kein adäquater Arbeitsplatz im Home Office zur Verfügung steht. Bewegung, Ergonomie und gesunde Ernährung sind wichtige Kriterien fürs Wohlbefinden, die die Mitarbeiter vermissen, wenn sie nicht im Büro arbeiten.
Die nächsten Schritte planen: Den Status Quo überwinden - Aufbruch in eine neue Zeit
Wie also sieht die Zukunft der Arbeit und des Arbeitsplatzes aus? Sie kann weder eine Rückkehr zum Status Quo bedeuten noch eine radikale Veränderung, um aggressiv Kosten zu senken. Eine neue Herangehensweise an das Arbeitsplatzdesign ist nötig - der Arbeitsplatz muss sicher und ansprechend für die Mitarbeiter und smart fürs Business sein.
Laut WKspace, einem britischen Unternehmen im Bereich der Arbeitsplatzstrategie, ist die Euphorie in Sachen Home Office vorbei. Globale Studien des Unternehmens zeigen, dass die Menschen an einem Punkt angelangt sind, an dem das Arbeiten von zu Hause nicht mehr so gut funktioniert. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Spaß, Motivation und der gute Kontakt zu anderen nachlassen und das Produktivitätsniveau nach nur fünf Wochen im Home Office abflacht.
Führende Unternehmen fangen an zu begreifen, was für Konsequenzen eine drastische Umkehr zum Home Office langfristig mit sich bringt und finden zu dem zurück, was ihnen im Grunde schon lange klar war: Der Arbeitsplatz ist unverzichtbar für das Unternehmenswachstum, zur Ausbildung einer Unternehmenskultur und als Antrieb für die Art von innovativen Resultaten, die die Weltwirtschaft am Laufen halten.
Dennoch bedeutet dies keine Rückkehr zum Büro, wie wir es vor der Coronakrise kannten. Fortschrittliche Unternehmen sind dabei, die Rolle des Arbeitsplatzes zu überdenken - sie möchten ihn nicht loswerden, sondern gezielt so einsetzen, dass er einen noch größeren Wettbewerbsvorteil bietet.
Apple, Google, Verizon , JP Morgan Chase und weitere Großunternehmen haben bekanntgegeben, dass sie ihre Belegschaft wieder sicher an den Arbeitsplatz zurückbringen möchten und gleichzeitig beabsichtigen, sinnvolle Home Office-Strategien aufrechtzuerhalten. Sie weiten ihr Denken aus, um ein „Ökosystem an Orten“ zu erschaffen, das den Arbeitsplatz um flexible Optionen wie das Home Office und mögliche zusätzliche ‚Satelliten-Arbeitsorte‘ ergänzt. Diese Unternehmen setzen sich stark dafür ein, das Mitarbeitererlebnis im gesamten Ökosystem stets positiv, attraktiv und sicher zu gestalten. Diese Herangehensweise bietet Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen den größten Nutzen und unterstützt gleichzeitig die Etablierung einer resilienteren Strategie bzgl. des Arbeitsortes.
Fünf Wege zur Gestaltung von ansprechenden + sicheren Arbeitsplätzen
Die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte sind in fünf Strategien eingeflossen, die Unternehmen dabei helfen, anpassungsfähige Arbeitsumgebungen zu entwickeln, in denen sich die Mitarbeiter sicher fühlen, produktiv sein können und ein Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen empfinden.
1
Ausweitung des Ökosystems an Räumen für mehr Auswahl und Kontrolle
Für das individuelle Sicherheitsgefühl spielen ganz unterschiedliche Dinge eine Rolle und die Wahrnehmung ändert sich auch diesbezüglich laufend. Deshalb benötigen wir ein ausgeweitetes Ökosystem an Räumen, das neben dem Arbeitsplatz im Unternehmen auch das Home Office und mögliche ‚Satellitenarbeitsplätze‘ integriert. Die Mitarbeiter können so gemäß ihrer jeweiligen Bedürfnisse wählen, wo und wie sie arbeiten möchten. Wenn wir ihnen die Wahl lassen, haben sie das Gefühl, ihre Arbeit und ihr Sicherheitsbedürfnis selbst anpassen und kontrollieren zu können. Der Steelcase Global Report: Mitarbeiterengagement und Arbeitsplätze in aller Welt hat gezeigt, dass Angestellte mit mehr Kontrolle über ihr Arbeitsplatzerlebnis zufriedener mit ihrem Arbeitsplatz sind und deutlich engagierter bei der Sache bleiben.
Um Talente anzulocken und zu halten, benötigen Unternehmen eine facettenreiche Arbeitsplatzstrategie, mithilfe derer die unterschiedlichen Bedürfnisse der Angestellten bzgl. der Arbeit umgesetzt werden können. Die Mitarbeiter brauchen Umgebungen, die verschiedene Arten der Arbeit - Fokusarbeit, Zusammenarbeit, soziale Interaktionen, Lernen und Erholung - sowie verschiedene Arbeitsweisen unterstützen.
2
Von starr zu fließend übergehen
Arbeitsumgebungen mit statischen Architekturmerkmalen und Möbeln sollten angepasst werden, um fließende Wechsel zu ermöglichen. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Drastische Veränderungen sind unvermeidlich - ob in Form einer „zweiten Welle“ des Coronavirus oder Naturkatastrophen. Unternehmen benötigen Räume, die sich leicht und schnell anpassen lassen und zwar nicht nur vom Facilities Team, sondern von den Angestellten selbst. Sie müssen die Einhaltung der heute benötigten Social Distancing-Vorgaben ermöglichen, aber den Angestellten darüber hinaus erlauben, den Raum an die Art ihrer Arbeit und ihr persönliches Bedürfnis in Bezug auf Privatsphäre anzupassen.
3
Fokus auf das „Ich im Team”
Der Arbeitsplatz sollte den Teambedürfnissen (‚Wir‘), aber auch den Ansprüchen des einzelnen Mitarbeiters (‚Ich‘) gerecht werden. Vor der Pandemie war ein deutlicher Trend zu mehr Zusammenarbeit in Gruppen erkennbar. Viele Angestellte hatten damit zu kämpfen, dass in offenen Arbeitsumgebungen die Bedürfnisse von Teams den Bedürfnissen einzelner Mitarbeiter nach Ruhe und Konzentration entgegenstanden. In der Zeit nach Covid-19 setzen wir erneut aufs Büro und hoffen, dass es uns hilft, die effektive Zusammenarbeit, die wir alle so vermisst haben, voranzubringen. Die Möglichkeit zum raschen Wechsel zwischen Zusammenarbeit und Einzelarbeit ist nach wie vor äußerst wichtig. Es werden außerdem noch mehr Fokusräume benötigt, insbesondere dann, wenn Angestellte gestresst und angespannt sind, weil sie zu Hause keine Ruhe oder Erholung finden. Video Calls werden häufiger stattfinden, nicht nur aufgrund der weiterhin bestehenden Reiseeinschränkungen, sondern auch, weil ein Teil der Belegschaft ins Unternehmen kommen wird, während ein anderer Teil weiterhin von zu Hause aus tätig sein wird. Es werden also mehr Räume benötigt, in denen Videokonferenzen stattfinden können, ohne dass die benachbarten Mitarbeiter davon gestört werden.
4
Jeder Bereich zur Zusammenarbeit muss effizient und leistungsfähig sein
Bevor wir uns aufgrund des Coronavirus alle ins Home Office zurückgezogen hatten, gab es für die Zusammenarbeit vor allem zwei Bereiche - offene Arbeitsumgebungen mit legerem Caféambiente und traditionelle Besprechungsräume. Beide Optionen sollten nun überdacht werden, damit die Räume noch leistungsfähiger und effektiver werden. Einige der schönsten und inspirierendsten Räume wurden bisher kaum genutzt, da die Mitarbeiter Arbeitsbereiche vorzogen, die sie bei ihrer Arbeit bestmöglich unterstützten. Traditionelle Konferenzräume verfügen zwar meist über Whiteboards und eine gute technologische Ausstattung, fördern aber selten kreatives Denken und werden aufgrund der momentanen Abstandsvorgaben auch schwer in der alten Form nutzbar sein. In Zukunft sollten alle Bereiche zur Zusammenarbeit inspirierend, effizient und sicher sein. Bereiche zur Zusammenarbeit (sowohl offene als auch geschlossene) am Arbeitsplatz sollten eine Vielzahl an Körperhaltungen unterstützen und eine leicht erreichbare und zuverlässige Stromversorgung bieten. Darüber hinaus sollte es möglich sein, die Privatsphäre selbst anzupassen, um sich dort wohlfühlen und entspannt arbeiten zu können. Diese Bereiche müssen über Tools zur Zusammenarbeit und zur Ideenfindung verfügen, wie z.B. Whiteboards und großflächige Tools zur Zusammenarbeit, mithilfe derer die Teamkollegen, die anderswo arbeiten, integriert werden können.
5
Digitale und physische Komponenten zusammenbringen
Der Crashkurs in Fernarbeit, den wir alle zwangsläufig absolviert haben, hat dazu geführt, dass wir unsere digitalen Fähigkeiten verbessern mussten. Künftig sollten Aspekte, die den Raum betreffen mit digitalen Komponenten zusammenspielen. So lassen sich Räume erschaffen, die anwesende Mitarbeiter bestmöglich unterstützen und abwesende Kollegen adäquat integrieren. Teams werden verstärkt auf die Zusammenarbeit per Videokonferenz zugreifen, weshalb großflächige Tools zur Zusammenarbeit ein inklusives Erlebnis für alle Mitarbeiter bieten sollten - unabhängig davon, ob diese mit im Raum sind oder anderswo arbeiten.
Verschiedene Arten integrierter smarter Technologie schaffen ein kontaktfreies Erlebnis am Arbeitsplatz. Die Messung der Raumauslastung ermöglicht datengestützte Entscheidungen zur Kontrolle der Raumbelegung und Reinigungsfrequenz. Diese Daten sind auch hilfreich, um festzustellen, welche Veränderungen für Unternehmen ratsam sind und stellen gleichzeitig ein wertvolles Hilfsmittel für zukünftige Entscheidungen dar.
Quelle
*Cushman and Wakefield, die weltweit 40.000 Menschen befragt hatten, gehen davon aus, dass weniger als 10 Prozent Vollzeit von zu Hause aus arbeiten werden.
*Genslers U.S. Work from Home Survey 2020 kommt zum Ergebnis, dass nur 12 % der Angestellten Vollzeit von zu Hause aus arbeiten möchten.
Buffer and AngelList, “State of Remote Work 2020,” lp.buffer.com/state-of-remote-work-2020
Business Facilities, “U.S. Employees Working More Hours During COVID-19 Pandemic,” (23. März 2020)
Dano, Mike, “Verizon Outlines ‘Phase 3’ of Its COVID-19 Response,” LightReading, (18. Mai 2020)
Davis, Michelle, Green, Jeff, “Three Hours Longer, the Pandemic Workday Has Obliterated Work-Life Balance,” Bloomberg, (23. April 2020)
Farrer, Laurel, “Are Home Offices Dangerous?” Forbes, (20. Mai 2020)
Fishbach, Ayelet and Steinmetz, Janina, “We Work Harder When We Know Someone’s Watching,” Harvard Business Review, (18. Mai 2020)
Gurman, Mark, “Apple Plans to Return More Staff to Offices in Break From Rivals,” Bloomberg, (12. Mai 2020)
Jiang, Manyu, “The Reasons Zoom Calls Drain Your Energy,” BBC, (22. April 2020)
Levy, Steven, “Sundar Pichai Says Google Doesn’t Plan to Go Entirely Remote,” Wired, (22. Mai 2020)
Moss, Jennifer, “Helping Remote Workers Avoid Loneliness and Burnout,” Harvard Business Review, (30. November 2018)
Noonan, Laura, “Citi Investment Bank Boss Predicts Resurgence of Offices.” The Financial Times, (24. Mai 2020)
Olson, Judith, Krishnan, M.S., Covi, Lisa, Teasley, Stephanie, “How Does Radical Collocation Help a Team Succeed?”, Association of Computing Machinery, (Dezember 2000)
Roose, Kevin, “Sorry, but Working From Home Is Overrated,” New York Times, (10. März 2020)
Schawbel, Dan, “Survey: Remote Workers Are More Disengaged and More Likely to Quit.” Harvard Business Review, (15. November 2018)
Tessian, “The State of DLP 2020,” tessian.com/research/state-of-data-loss-prevention-2020
VitalSmarts, “Virtual Reality: Remote Employees Experience More Workplace Politics Than Onsite Teammates,” (November 2, 20020)
WKspace, “Understanding How Workers and Workplace May Change Post-COVID-19,” wkspace.co.uk, (Mai 2020)