Design

Ideen für das Design inklusiver Arbeitsräume

Austausch mit Expert*innen zur Gestaltung von Arbeitsbereichen, die Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe unterstützen.

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Eine Einheitslösung für alle ist ein Prinzip, das viele Unternehmen nutzen, besonders in der jetzigen Zeit, in der Auswahlmöglichkeiten und Flexibilität entscheidend sind für die Produktivität sowie Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit. Inklusives Design steht hingegen für einen Prozess, der sich ständig weiterentwickelt, um Lösungen zu finden, die jede/n Einzelne/n unterstützen.

Eingang zu einem Arbeitsbereich, ausgestattet mit einer Rampe, verschiedenen Sitzmöglichkeiten, verschiedenen Empfangsbereichen in der offenen Fläche und Menschen, die den Arbeitsplatz verlassen oder dort ankommen.

In unserem vor kurzem stattgefundenen Work Better Webinar tauschten sich Gastgeberin Elena de Kan, Director of Applications and Design Consulting bei Steelcase und drei führende Vertreter*innen für Inklusion und Integration über das Design inklusiver Arbeitsplätze aus.

Referent*innen:

  • Stephane Leblois, Director of Partnerships, The Valuable 500
  • Francesco Zurlo, Leiter, School of Design, Politecnico di Milano
  • Kamara Sudberry, Global Leader, Inclusive Design | Workplace Innovation, Steelcase

Elena de Kan: Wie würden Sie Inklusivität definieren?

Stephane Leblois: Inklusivität besteht aus vielen Schritten, bei denen viele Lernprozesse durchlaufen werden und es viele Möglichkeiten gibt, Gleichberechtigung und gleichwertige Teilhabe zu fördern. Es gibt hier kein abschließendes Ziel. Wenn beim Design der Mensch im Mittelpunkt stehen soll, ist es auch wichtig zu erkennen, dass sich die Vorlieben und die Bedürfnisse in Bezug auf Barrierefreiheit und Nutzbarkeit im Laufe der Zeit ändern werden. Bei inklusivem Design geht es darum, in der Lage zu sein, sich weiterzuentwickeln, um die Bedürfnisse der Menschen adressieren zu können.

Francesco Zurlo: Inklusives Design ist ein multidimensionales Konzept. Wir sind alle verschieden. Nicht nur, was unsere Physis angeht, sondern auch in Bezug auf Kultur, Geschlecht, Religion, Alter und so weiter. Amartya Sen betont in seiner „Theorie der Fähigkeiten“, wie wichtig es ist, Bedingungen zu schaffen, die ermöglichen, dass die Menschen ihre eigenen Fähigkeiten nutzen können. Wenn kreatives Handeln ermöglicht wird, fördert das aus meiner Sicht auch die Inklusion, da hierdurch Menschen mit einbezogen werden, ein Gefühl der Zugehörigkeit geschaffen wird und die einzigartigen Fähigkeiten und das Potenzial jedes Einzelnen nutzbar gemacht wird.

Kamara Sudberry: Inklusivität ist ein intersektioneller Ansatz, bei dem es darum geht, direkt, quasi in Echtzeit, das Gefühl zu erhalten, willkommen geheißen und geschätzt zu werden. Es geht um die wichtige Aufgabe, tiefgreifende persönliche Erfahrungen zu schaffen, die die Menschen auf transformatorische und eindrucksvolle Weise zusammenbringen.

EK: Können Sie uns erklären, wie Sie inklusives Design leben und warum es dabei nicht nur um Barrierefreiheit geht?

FZ: Barrierefreiheit bedeutet, einen physischen Zugang für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, wohingegen Inklusion bzw. Inklusivität sich auf eine viel größere Anzahl an Merkmalen und Fähigkeiten bezieht. Kreativität ist in Unternehmen eine wichtige treibende Kraft für Inklusion, da sie dazu beiträgt, dass einzigartige Perspektiven, Herangehensweise und Grundannahmen in Betracht gezogen werden. Raum beeinflusst Verhalten und bei der Gestaltung von Räumen sollten wir darüber nachdenken, wie wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen können, damit alle kreativ arbeiten können. Kreativität erfordert es, Risiken einzugehen. Deshalb muss man ein furchtloses Unternehmen gestalten, in dem sich jede/r sicher genug fühlt, Ideen vorzuschlagen.

KS: Barrierefreiheit ist der Grundpfeiler von inklusivem Design. Es ist ein Menschenrecht und jeder Mensch verdient es darüber hinaus, gesehen, gehört und wertgeschätzt zu werden, in Würde zu arbeiten und sich nicht verstellen zu müssen. Zusätzlich zu den physischen Rahmenbedingungen geht es bei Inklusion auch um Wohlbefinden, sensorische Stimulation, kognitive Funktionen, kulturelle Unterschiede und viele andere Aspekte. Bei inklusivem Design ist es wichtig zu erkennen, wer während des Design- und Entwicklungsprozesses ausgeschlossen wird, um gemeinsam daran zu arbeiten, Hindernisse, Ursachen und Herausforderungen bei der Gestaltung eines inklusiven Umfelds zu verstehen.

EK: Was sind die größten Hindernisse, die Unternehmen oder Organisationen beim Fortschritt in Richtung Inklusion im Wege stehen?

SL: Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Herangehensweisen, aber es gibt auch einige Themen, die allen gemeinsam sind. Inklusion bezieht sich nicht nur auf Produkte, die entworfen werden oder physische Bereiche, die gestaltet werden, sondern auch auf digitale Räume, auf die Art und Weise, wie Meetings abgehalten werden und auf alle Prozesse und Verfahren im gesamten Unternehmen. Inklusives Design sollte eine einheitliche Vorgehensweise darstellen. Wenn kein Konsens darüber besteht, wie inklusives Design und Barrierefreiheit im gesamten Unternehmen skaliert werden sollen, können sämtliche Bemühungen nur begrenzt Wirkung zeigen.

Die Angst, etwas falsch zu machen, stellt zudem ein Hindernis für inklusives Design dar. Der Grund dafür ist häufig, dass unklar ist, was man messen soll, dass man nicht über das interne Fachwissen verfügt, um die Arbeit voranzutreiben oder nicht die richtigen Partnerschaften innerhalb der Gemeinschaft hat. Organisationen wie die „International Association for Accessibility Professionals“ schaffen Zertifizierungen für Barrierefreiheit. Das kann Unternehmen helfen, ihre internen Kapazitäten zur Förderung von inklusivem Design zu erhöhen. Wir bei Valuable 500 sind außerdem in der glücklichen Lage, mit Expert*innen für barrierefreies Design aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Sie helfen unseren Unternehmen, ihre Arbeit voranzubringen. Wenn man nicht weiß, wie man an externes Fachwissen herankommt, stagnieren die Fortschritte häufig, da man keinen Zugang zu Ideen hat, die wichtig wären, um weiterzukommen.

Und letztlich geht es auch ums Budget. Insbesondere in Zeiten der Rezession oder des wirtschaftlichen Abschwungs kann das eine echte Herausforderung darstellen. Barrierefreiheit oder inklusives Design sind jedoch letztlich kein Kostenfaktor, wenn man bedenkt, dass sie für Nutzer*innen und Mitarbeitende eine Bereicherung darstellen.

EK: Wie kann man Kultur bei der Gestaltung inklusiver Umgebungen nutzen?

KS: Ich möchte die Worte von Judith Huemann zitieren, der Autorin des „Americans with Disabilities Act“, die sie in ihren Memoiren „Being Huemann“ verwendete: „Disability culture“ ist beschreibt letztlich nur eine Kultur, die gelernt hat, die Menschlichkeit in allen Menschen zu schätzen, ohne jemanden wegen seines Aussehens, Denkens, Glaubens oder Handelns abzulehnen.”

Wenn wir über Kultur sprechen, geht es letztlich um einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem mithilfe von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) die Grundlage für integratives Design geschaffen wird. Wer sich nicht mit Kultur befasst, investiert vielleicht viel Energie, verfehlt aber letztlich möglicherweise die Wirkung. Es ist dann ein bisschen so, als ob man ganz viele Pflaster auf eine entzündete Wunde kleben würde. Ein inklusives Umfeld entsteht, wenn Führungskräfte, Designer*innen und Expert*innen für DEI zusammenarbeiten und sich den komplexen dazugehörigen Aufgaben widmen. Um das Beispiel oben wieder aufzunehmen, würde das bedeuten, die Wunde zu reinigen, zu nähen, damit sie sich schließt, das richtige Medikament zu finden, damit die Infektion abklingt und sich zu vergewissern, dass die Wunde richtig verheilt ist. Wir können diese Systematik und Herangehensweise bei einem Großteil unserer Aufgaben nutzen, indem wir Menschen zusammenbringen, den Status Quo betrachten und überlegen, wie wir gemeinsam wirkungsvolle Lösungen finden können.

FZ: Ich glaube, es geht darum, eine Designkultur zu schaffen, die die Nutzer*innen und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Das ist ein Ziel beim Design Thinking und oft nicht einfach zu bewerkstelligen, da solche Veränderungen von der Führung ausgehen müssen. Führungskräfte müssen sich aktiv für diese Art von Designkultur aussprechen und sie unterstützen, damit sie das Unternehmen durchdringen kann. Sie müssen analytisch vorgehen, um Empathie zu steigern und um entsprechende Probleme zu identifizieren, wenn es darum geht, Neues zu entwerfen und neue Lösungen vorzuschlagen.

Außerdem orientieren sich die Kunden im heutigen zweckgerichteten Wirtschaftssystem zunehmend an Werten. Inklusion ist für uns ein Wert von zentraler Bedeutung, der unbedingt integriert werden muss und aus ethischer Perspektive sind Designer*innen dazu verpflichtet, sich damit auseinanderzusetzen.

SL: Man kann Kultur nutzen, indem man Einfühlungsvermögen beweist und sich bemüht, wirklich zu verstehen, was die Menschen brauchen. Im Idealfall gelingt es, eine interne Kultur zu schaffen, die den Menschen das Vertrauen gibt, mit jedem Anliegen zu Ihnen zu kommen und die dazu führt, dass sie das Gefühl haben, dazuzugehören. Ist dies der Fall, trauen sich die Mitarbeitenden, ihre Meinung zu äußern und Neues auszuprobieren. Sie engagieren sich selbständig und stoßen Veränderungen an. All dies kommt dem Unternehmen zugute. Letztendlich wünscht man sich intern eine inklusive Kultur und extern möchte man in der Lage sein, zu demonstrieren, wie dies gelebt und messbar gemacht wird.

EK: Gibt es Anhaltspunkte, Ratschläge oder Beispiele, die den Menschen helfen, die richtige Richtung zu finden, um Inklusion zu fördern?

KS: Es geht um primär um Beziehungen. Die Hindernisse, die identifiziert werden, können zur Lösungsfindung beitragen – denn es eröffnet neue Möglichkeiten, wenn man Menschen in den Designprozess mit einbezieht, die Ausgrenzung erlebt haben. Wenn Sie erreichen möchten, dass möglichst viele Perspektiven betrachtet werden, sollten Sie frühzeitig ein Team zusammenstellen und Netzwerke und Beziehungen weiter ausbauen. Schaffen Sie einen sicheren Raum für Kreativität, zur Diskussion und auch Raum für Meinungsverschiedenheiten. Es ist schwierig, einen bestimmten Raum als Paradebeispiel inklusiven Designs zu präsentieren, da es sehr stark auf den Kontext ankommt. Die beste Strategie ist ein lokaler, persönlicher Ansatz, in dem Bewusstsein, dass es möglicherweise mehrere Anläufe geben muss und im Laufe der Zeit eine Entwicklung stattfinden wird.

SL: Das Engagement auf Führungsebene sollte möglichst viele Führungskräfte mit einbeziehen. Wenn es um komplexe Strukturen und multinationale Unternehmen geht, kann die Verantwortung nicht ausschließlich beim Chief Accessibility Officer (CAO), dem DEI-Team oder der Personalabteilung liegen. Sie erstreckt sich wirklich über die gesamte Organisation. Die gesamte Führungsebene muss Verantwortung übernehmen und sich verpflichten, in allen Unternehmensbereichen. Andernfalls wird der Wunsch nach Inklusion sich nicht umsetzen lassen.

Der zweite Teil besteht darin, den Stimmen der Menschen in Ihrem Unternehmen mehr Gewicht zu geben, wenn diese über relevante eigene Erfahrungen verfügen. Und es geht darum, intern Möglichkeiten für sie zu schaffen, Führungsaufgaben zu übernehmen. Ein Programm, das wir gerade bei Valuable 500 durchführen, ist unser ‚Generation Valuable Program‘. Es handelt sich um einen Kurs zur Entwicklung von Führungskräften, der die nächste Generation behinderter Führungskräfte unterstützen soll, die gläserne Decke zu durchbrechen, auf die so viele stoßen, wenn sie Karriere machen möchten.

FZ: Es ist wichtig, sowohl Führungskräfte als auch die unternehmerische Seite des Unternehmens mit einzubeziehen, um eine Kultur zu schaffen, die Inklusion fördert. Designer*innen sollten lernen, richtig mit Führungskräften zu interagieren und die kulturellen Rahmenbedingungen zu verstehen. Ein Beispiel hierfür ist ein Forschungsprojekt, das wir in Mailand durchgeführt haben, um die Integration älterer Menschen zu verbessern. Wir führten hierbei viele Workshops und Co-Design-Sitzungen mit Nutzer*innen durch. Inklusion ist ein Ergebnis direkter Zusammenarbeit mit den Kunden.

Wenn wir etwas Neues beginnen, haben wir erstmal viele Vorurteile. Wir müssen zunächst unsere eigenen Denkmuster erkennen und Vorurteile ablegen, um dann von einem frischen Standpunkt aus neue, integrative Lösungen zu entwerfen. Professor Antonio Grillo von der Politecnico di Milano School of Design brachte einen wichtigen Punkt zur Sprache: „Inklusives Design beginnt, bevor man überhaupt über die Designlösung nachdenkt. Es beginnt bei Ihnen.”

EK: Was ist die wichtigste Erkenntnis für unsere Teilnehmenden heute?

FZ: Die Vorstellung von Inklusion hat mit der Idee zu tun, sich um andere zu kümmern und eine Beziehung zu ihnen herzustellen. Die Zukunft von Design besteht darin, Beziehungen in den Mittelpunkt des Designprozesses zu stellen. Bei dieser neuen Herangehensweise steht nicht der/die Nutzer*in im Fokus, sondern zuallererst die Beziehung. Wir sind alle voneinander abhängig und können einiges voneinander lernen.

SL: Zuallererst ist es überaus wichtig, intern und extern mit Empathie zu führen und die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund zu stellen. Wir müssen verstehen, was sich die Interessensgruppen von uns wünschen, nicht nur als Unternehmen, sondern auch als Bürger. Ein zweiter, eher kontroverser Punkt ist: Können wir es uns als Unternehmen in dieser Gesellschaft überhaupt noch leisten, nicht inklusiv zu sein? Die kommenden Generationen von Angestellten interessiert nicht nur, welche Zusatzleistungen der Arbeitgeber bietet, sie suchen auch Unternehmen, die ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen. Wenn man die besten Talente anziehen möchte, muss man sich um Inklusion bemühen.

KS: Designing with – not just for (Gleichberechtigte Teilhabe über Design) ist unsere Kurzformel für inklusives Design. Der inklusive Designprozess erfordert, dass wir uns mit allen so genannten “Ismen” und Vorurteilen auseinandersetzen, die Ausgrenzung zur Folge haben: Klassismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Sexismus, Vorbehalte aufgrund der Körpergröße, Homophobie, Schönheitsdogmen usw. Wir sollten dafür sorgen, dass solche Annahmen oder Vorurteile nicht der Möglichkeit zum gemeinsamen Lernen und zur Innovation im Wege stehen. Wir müssen uns bemühen, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die die Welt anders erleben als wir selbst.

EK: Inklusives Design ist eines dieser Themen, die überwältigend wirken können; je mehr man sich damit befasst, umso größer scheint das Thema zu werden. Es ist gleichgültig, welche Rolle man einnimmt oder wo man herkommt. Wir sind allesamt gefragt, dafür zu sorgen, dass die Räume und Umgebungen, die wir gestalten, allen zugutekommen. Das zahlt sich auch aus – für uns alle, individuell als auch kollektiv.

ERGEBNIS DER ZUSCHAUERUMFRAGE:

Was beschreibt Ihre Tätigkeit/Ihren Arbeitsbereich am besten:
58% – Architekt & Designer
16% – Sonstiges
13% – Immobilien- und Facilities Management
9% – Unternehmensstrategie und -führung
3% – Personalwesen
1% – IT

Wissen Sie, wie man Räume gestaltet, die für alle inklusiv wirken?
61% – Nein
39% – Ja

Mein Unternehmen hat eine Strategie, um Inklusion voranzubringen.
40% – stimmen zu
27% – unentschlossen
16% – stimmen nicht zu
14% – stimmen vehement zu
3% – stimmen vehement nicht zu

Wie wichtig ist inklusives Design für die Zufriedenheit der Angestellten?
63% – sehr wichtig
23% – ziemlich wichtig
11% – wichtig
2% – etwas wichtig
0% – überhaupt nicht wichtig


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