Makroverschiebungen
Leben am Bildschirm
Die meisten von uns haben deutlich mehr Meetings, von denen viele – wenn nicht sogar fast alle – per Video stattfinden. Wie viele Ihrer persönlichen Interaktionen finden am Bildschirm statt und nicht live bei einer Tasse Kaffee?
Wir verbringen heute oft weit mehr Zeit mit bildschirmgestützten Interaktionen als mit persönlichen Treffen. Dies ist vermutlich die größte Veränderung in der Arbeitswelt – mit weitreichenden Auswirkungen auf unser Verhalten und das Arbeitsleben. Die Verlagerung von persönlicher zu bildschirmgestützter Interaktion beeinflusst Arbeitsverhalten und -normen, was sich wiederum auf die Unternehmenskultur auswirkt. Die Folgen für das Wohlbefinden und die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden sind deutlich spürbar.
Wenn Sie Ihren heutigen Kalender mit dem von vor fünf Jahren vergleichen: Was fällt Ihnen auf?
Wie weitreichend ist diese Veränderung?
Laut einer Studie von Steelcase WorkSpace Futures verbringen die Menschen heute mehr Zeit mit virtueller Zusammenarbeit als mit persönlichen Treffen.
Die Umstellung auf bildschirmgestützte Interaktionen schien zunächst allmählich voranzuschreiten – erfolgte dann aber doch auf einen Schlag. In den 2010er Jahren nahm sie durch videofähige Smartphones und allgemein zugänglicher Videokonferenztechnologie an Fahrt auf. Mit neuen Plattformen wie Microsoft Teams und Zoom konnten Angestellte von jedem Ort aus an Meetings teilnehmen. Aber erst die Pandemie sorgte für deren rasante Verbreitung und für neue Normen – in nur vier Jahren änderte sich das Arbeitsverhalten grundlegend und dauerhaft.
Plattformen zur Zusammenarbeit unterstützten Remote- und Hybrid-Arbeit und stürzten das klassische Büro in eine Daseinskrise. Viele Arbeitsorte wurden bedenklich leer, obwohl Unternehmen mit der Rückkehr ins Büro und hybriden Arbeitsmodellen experimentierten bzw. damit zu kämpfen hatten. Immer mehr Führungskräfte fordern nun die Rückkehr ins Büro. Aber trotz dem Drängen nach Anwesenheit ist das Büro an manchen Tagen voller Leben und an anderen wie ausgestorben.
Die Verbreitung hybrider Arbeitsweisen hat verändert, wie, wann und wo gearbeitet wird. Mitarbeitende können ihren beruflichen und privaten Verpflichtungen flexibler nachkommen. Sie haben allerdings mehr Meetings, die länger dauern und sind stärker isoliert.
Die meisten virtuellen Meetings finden am Schreibtisch und nicht im Besprechungsraum statt.
Menschen ziehen Bequemlichkeit dem Miteinander vor.
Durch die Zunahme von bildschirmgestützten Interaktionen entstehen neue Verhaltensweisen. Die größte Veränderung ist der Ort der Meetings – viele Mitarbeitende sitzen allein an ihrem Schreibtisch oder konkurrieren mit anderen um private Arbeitsbereiche.
Einfach zu nutzende, für alle gut zugängliche Räume zur Zusammenarbeit, Raumbuchungssysteme und eine Übergangszeit zwischen Meetings können das Miteinander fördern. Die Mitarbeitenden verlassen ihren Schreibtisch vor allem aus Bequemlichkeit nicht.
Die Hauptgründe für Video-Calls am Schreibtisch
1 Einfachere Verbindung am eigenen Platz 2 Bessere und gleichberechtige Teilhabe für alle 3 Zu wenig Zeit für den Ortswechsel zwischen Meetings 4 Keine Raumbuchung vorab
%
bleiben am Schreibtisch
24
%
nutzen private Räume oder Arbeitsbereiche
26
%
nutzen einen Besprechungsraum
Wissenschaftler*innen von Microsoft entdeckten ein neues Arbeitsmuster, das sie „Triple Peak Day“ tauften: Die Menschen arbeiten nicht mehr nur zu den Spitzenzeiten vor und nach der Mittagspause, sondern auch vor dem Schlafengehen.
Die Gesamtanzahl an Meetings hat zugenommen.
Meetings finden öfter am Bildschirm als persönlich statt
42
%
mehr Chats werden im Durchschnitt heutzutage abends per Microsoft Teams gesendet
50
%
Meetings mit Remote-Teilnehmenden Das neue Verhaltensmuster, Video-Calls am eigenen Schreibtisch zu führen, mag Zeit sparen, kann sich jedoch negativ auf Leistung und Wohlbefinden der Mitarbeitenden auswirken. Untersuchungen von Microsoft zeigen, dass in mindestens 30% der Remote-Meetings die Teilnehmenden gleichzeitig E-Mails schreiben. Andere Daten deuten darauf hin, dass dies nahezu ständig geschieht–ein Zeichen, dass die Teilnehmenden in virtuellen Meetings nicht bei der Sache sind bzw. nicht richtig zuhören. Ganz zu schweigen davon, dass Video-Calls am Schreibtisch die Kolleg*innen in der Nähe stören können.
Neue Arbeitsmuster erfordern neue Räume
Laut einer Steelcase-Studie bevorzugt die Mehrheit der Mitarbeitenden das Büro für Zusammenarbeit (Co-Creation, Ideenfindung) und Besprechungen (Informationsaustausch, Entscheidungsfindung). Wenn sie jedoch zur Zusammenarbeit ihren Schreibtisch nicht verlassen, entgehen ihnen und dem Unternehmen die Vorteile, die sich aus dem persönlichen Miteinander ergeben. Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Mangel an sozialen Kontakten zu Ängsten, Depressionen und Einsamkeit führen kann.
56
44
%
Meetings, bei denen alle persönlich anwesend sind
Mitarbeitende wünschen sich ein besseres Arbeitserlebnis
Die wichtigsten Wünsche von Mitarbeitenden weltweit sind eine direkte Reaktion auf die drastische Zunahme der Bildschirmarbeit:
Privatsphäre
Räume, die das Wohlbefinden fördern
Räume, die virtuelle Zusammenarbeit ermöglichen
Eine gute Stromversorgung
Mitwirkende: Chris Congdon, Chefredakteurin, Work Better Magazin; Amy Willard, WorkSpace Futures ForscherinDie Analyse der Steelcase-Verkaufsdaten zeigt einen vielversprechenden Trend: Unternehmen erhöhen den Zugang zu Privatsphäre im Büro sowie zu einer Stromversorgung in Räumen zum Austausch und zur Zusammenarbeit. Allerdings beklagen die Mitarbeitenden einen Mangel an Räumen, die eine effektive virtuelle Zusammenarbeit ermöglichen, d.h. Räume mit benutzerfreundlicher Technologie für eine optimale Erfahrung der vor Ort anwesenden und externen Teilnehmenden.
Die Zunahme an bildschirmgestützter Interaktion ist ein Schlüsselfaktor, den Designer*innen künftig bei der Gestaltung von Büros berücksichtigen müssen. Es ist eine echte Herausforderung, eine Atmosphäre von Energie, Miteinander und Produktivität zu schaffen, wenn die Mitarbeitenden nicht vor Ort anwesend und stattdessen permanent vor dem Bildschirm sind.
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In dieser Sonderausgabe des Work Better Magazins erfahren Sie mehr zu vier Makroverschiebungen, die die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändern, und dazu, wie Community-Based Design dabei helfen kann, lebendige Arbeitsorte zu schaffen, an denen sich die Menschen entfalten können.
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